Chappi statt Gulasch

■ „Anläuft Cha Bum“: Ausländer in der Fußball-Bundesliga – Rassismus pur

„Mit tierhaften Bewegungen umschmeichelten sie den Ball, katzenhaft gewandt ließen sie die gegnerischen Verteidiger ins Leere stoßen – das war naturhafter Fußball“, schwadronierte Hennes Weisweiler 1970 über die peruanische WM-Mannschaft, und jener Spieler aus der südamerikanischen Fußballfauna, der wenig später zum ersten dunkelhäutigen Kicker in der Bundesliga avancieren sollte, war in den Augen des Gladbacher Trainers, wie sollte es anders sein, ein „schwarzer Brillant“. Julio Baylon aus Peru zauberte bei Fortuna Köln jedoch nur 13 Spiele lang. Guter Fußball war beim Abstiegskandidaten nicht gefragt, was zählte, war Kampf, und dafür, so die hartnäckige Überzeugung, die sich bis heute ungebrochen hält, taugen die schwarzen Brillanten leider nicht. „Es ist eine Identitätsfrage des Fußballsports, daß er überwiegend von Angehörigen der eigenen Nation ausgeübt und präsentiert wird“, formulierte einst der DFB-Präsident Hermann Neuberger einen Grundsatz, an dem die Funktionäre auch in heutigen Bosman-Zeiten krampfhaft festzuhalten suchen.

Schwarze Spieler haben am stärksten unter entsprechenden Vorurteilen zu leiden, die im Bedarfsfall aber auch problemlos auf Österreicher, Jugoslawen oder Polen ausdehnbar sind. Bayer Leverkusens Manager Calmund rühmt sich allen Ernstes, der Familie Sergio einen Betreuer zur Seite gestellt zu haben, damit die Frau des Brasilianers „statt Gulasch nicht Chappi kauft“, und für den Kolumbianer Adolfo Valencia war wohl spätestens dann klar, daß es sich nicht lohnen würde, Deutsch zu lernen, als ihn die Bayern in eine Lederhose zwängten. Niemand vermochte es jedoch, die grassierenden Vorurteile prägnanter auf den Punkt zu bringen als Anthony Yeboah: „Der Schwarze ist undiszipliniert, verträgt den Winter nicht und hat Malaria.“

Nachzulesen ist all dies und vieles mehr in dem schönen Buch „Radi, Buffy und ein Sputnik“, herausgegeben von Holger Jenrich. Ein Geschichtenband über die Ausländer in der Bundesliga, der herausragende Persönlichkeiten ebenso vorstellt wie vergessene und gescheiterte Stars und Sternchen aus aller Welt.

Zunächst tat sich die Bundesliga in bezug auf fremdländische Fußwerker recht schwer. In der ersten Saison 1963 gab es mit den Niederländern Versteeg (Meiderich) und Prins (Kaiserslautern), dem Österreicher Huberts (Frankfurt), dem Türken Ünyazici (Braunschweig) und den Jugoslawen Radenkovic (1860) und Ilic (Bremen) gerade mal sechs Ausländer in den 16 Vereinen. Borussia Dortmund verpflichtete seinen ersten Ausländer mit dem Jugoslawen Rasovic sogar erst 1969.

Der sangesfreudige und auffallend gutgelaunte Torwart Petar Radenkovic wurde zu einem der ersten Stars der neuen Liga, folgerichtig ist ihm auch das erste Kapitel des Buches gewidmet. Mit der Zeit kamen immer mehr Fußballzauberer aus fremden Landen, zuerst vorzugsweise Jugoslawen, später verstärkt Skandinavier, aber auch Japaner (Okudera), Israelis (Rosenthal), Neuseeländer (Rufer), Griechen (Tsionanis) und Amerikaner wie Julio Baylon. Nicht zu vergessen die Trainer: Happel, Zebec, Merkel, Cajkovski. Die schillerndsten Figuren bekommen natürlich auch den größten Platz eingeräumt: „Ente“ Lippens, „Schillbär“ Gress, Jacobus Prins, Buffy Ettmayer, Kevin Keegan; Willi Huberts, der in New York spielte, bevor er nach Frankfurt kam; Anthony Baffoe, dessen rechtes Bein von den Toten Hosen bezahlt wurde; Horacio Troche, Aachens Uruguayer, der 1966 bei der WM Uwe Seeler eine saftige Watsche verpaßt hatte; und natürlich Bum Kun Cha, der mit Eckhard Henscheids furioser Hymne gewürdigt wird:

Im Winde klirret die Fahne zum Eckstoß. Gefahrstufe

Eins. Anläuft Cha Bum, herrlich die Flank' in die

Fluten der Zeit.

Matti Lieske

Holger Jenrich (Hg.): „Radi, Buffy und ein Sputnik: Ausländer in der Fußball-Bundesliga 1963–1995“. Klartext Verlag, Essen, 180 Seiten, 34 DM