■ Die Bundesregierung spart – an der falschen Stelle
: Geschenke für die Reichen

Die für 1996 geplanten öffentlichen Haushalte sind durch die jüngste Steuerschätzung über den Haufen geworfen worden. Dieses Jahr werden 30, 1997 über 100 Milliarden fehlen. Die Linie der Bundesregierung scheint klar: Aderlaß bei den öffentlichen Ausgaben. Das Sparpaket II mit weiteren Einschnitten bei den sozial Schwachen wird bereits hinter verschlossenen Türen diskutiert. Da auch dies nicht ausreichen wird, ist wohl zusätzlich mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer von 15 auf 16, vielleicht 17 Prozent zu rechnen.

Diese Maßnahmen verfehlen indes die Ursachen der Finanzmisere. Der wichtigste Grund für das Haushaltsloch ist die steigende Massenarbeitslosigkeit. Geschätzte gesellschaftliche Kosten 1996: über 160 Milliarden Mark. Wer den Haushalt sanieren will, muß daher ernsthaft Arbeitslosigkeit abbauen. Und nicht, gerade jetzt, bei der Bundesanstalt für Arbeit kürzen.

Ungefähr zwei Drittel der Haushaltslöcher sind Folge der rückläufigen Konjunktur. Ein Prozent weniger Wirtschaftswachstum führt zu Einnahmeausfällen von 20 Milliarden Mark. In dieser konjunkturellen Krise wäre es katastrophal, die Haushaltslöcher infolge rapide sinkender Steuereinnahmen mit Einsparungen bei den Staatsausgaben zu bekämpfen. Der Verzicht auf öffentliche Ausgaben führt bei den Unternehmen zu Erlösausfällen. So entsteht ein Teufelskreis: Produktionsverluste bedingen Steuerausfälle bedingen Produktionsverluste. Deshalb müssen die konjunkturbedingten Haushaltslöcher durch konjunkturelle Neuverschuldung aufgefangen werden. Das gilt auch im globalisierten Kapitalismus.

Eine Neuverschuldung würde gewiß mit den Maastrichter Stabilitätskriterien kollidieren. Dies offenbart freilich die Aberwitzigkeit des Projekts Eurowährung. Denn konjunkturell wäre die Rückführung der Neuverschuldung auf maximal drei Prozent fatal. So wird die EU zu einer Deflationsgemeinschaft.

Über ein Drittel der Haushaltslöcher sind schließlich Folge des Abbaus unternehmerischer Steuern. Während die Lohnsteuern demnächst wieder Spitzenniveau erreichen, ist die Unternehmenssteuerlast gegenüber Anfang der achtziger Jahre von 35 Prozent auf knapp ein Viertel 1995 gesunken. Die Unternehmenszentralen zahlen trotz steigender Gewinne immer weniger Steuern. Wirtschaftlich machen diese Steuergeschenke keinen Sinn. Sie erhöhen die Nettogewinne, für die Beschäftigung bringen sie nichts. Die Steuerpolitik müßte daher die Vermögenden wieder stärker in die Finanzierung des öffentlichen Sektors einbinden. Davon ist der Debatte um die Krise des Steuerstaats freilich kaum die Rede. Rudolf Hickel

Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Uni in Bremen