Ungemütliche Anarchie

■ GAL: Zoff und Urabstimmung um „SprecherInnen-Modell“

Als „organisierte Verantwortungslosigkeit“ wird die Arbeitsweise des elfköpfigen Hamburger GAL-Landesvorstands parteiintern belächelt: Alle reden mit und keiner entscheidet. Nach außen ist der grüne Vorstand ebenso unbekannt wie bedeutungslos. Viele KöchInnen verderben den Brei nicht, sondern kochen gar nicht erst einen. Das soll sich nach dem Willen der Vorstandsmitglieder Jonas Viering und Harald Küpper bald ändern. Nach heftigen Diskussionen im vergangenen Jahr läuft seit Mitte Mai eine Urabstimmung: Soll die Satzung geändert und zwei Partei-SprecherInnen eingeführt werden, wie sie in allen anderen Landesverbänden längst üblich sind?

„Profilsucht“ und „Hierarchisierung“ gruseln sich die GegnerInnen des „SprecherInnen-Modells“. Allen voran Landesvorstandsmitglied Tina Rosenbusch, informelle Sprecherin der „ZAS“ (Zwischen allen Stühlen). Denn dann hätten die Hamburger Grün-Alternativen erstmals so etwas wie zwei Partei-ChefInnen. In erbitterten Auseinandersetzungen um die Einführung einer Parteispitze lassen die ZASlerInnen inzwischen keinen Zweifel mehr daran, daß sie die Legitimität der derzeit laufenden Urabstimmung nicht anerkennen. Soll heißen: Selbst wenn sich die Basis für eine Satzungsänderung ausspricht, werden sie auf der Landesmitglieder-Versammlung am 8. Juni dagegen stimmen. Ob die erforderliche Zweidrittelmehrheit auch ohne die ZAS erreicht werden kann, ist fraglich.

Die Situation im derzeit sich eher blockierenden als wirklich arbeitenden Landesvorstand „hat zur Folge, daß es faktisch keine Parteispitze gibt“, bedauert Jonas Viering. Die GAL-Bürgerschaftsfraktion tritt überproportional stark für die Partei auf, ein Gegengewicht oder die grüne Basis spielen keine öffentliche Rolle. „Wir wollen mit dem SprecherInnen-Modell die Partei gegenüber der Fraktion stärken“, so Viering. Gerade angesichts einer Rot-Grün-Option bei den Wahlen im kommenden Jahr sei das bitter nötig. Außerdem gebe es informelle Hierarchien, „die sich jeglicher Kontrolle durch die Parteimehrheit entziehen“.

Während der nächste Hamburger Wahlkampf erbarmungslos näher rückt, sehen grüne Polit-Strategen mit Schrecken den Zustand der Partei: strukturschwach, kopflos, viel zu wenige Mitglieder im Vergleich zu den Wahlergebnissen und eine Basis, die kein Sprachrohr hat.

Silke Mertins