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■ Zur EinkehrStadtmusikanten

Ja, ist denn wirklich noch kein pfiffiger Erlebnisgastronom auf die Idee gekommen, den Namen der bekanntesten Bremer Bürger aller Zeiten über seine Eingangstüre zu schreiben? Damit die Herrschaften Touristen wissen, wo sie nach absolviertem Schnoorbummel spachteln sollen? Nun aber: „Stadtmusikanten“, das Lokal. Richtig bremisch, mit Knipp und Korn, mit „Fischsuppe Kajenmarkt“ und „Omelett Sengstake“ und was an kulinarischen Bremensien sonst irgend denkbar ist. Bezahlbar sind die lokalen Köstlichkeiten außerdem, zumindest, wenn man so 15 bis 20 Mark sein eigen nennt.

Bis der Gast zur „Stadtmusikanten“-Speisekarte vordringt, muß er sich allerdings erstmal durch das Dickicht dekorativer Peinlichkeiten schlagen, das ein betriebsamer Baumeister rings um die Gastwirtschaft gebastelt hat. An die weserseitige Fassade ließ er eine Ansammlung schlimm zugerichteter Birkenäste antackern, die dort ihren verwesten Charme verbreitet, grell illuminiert durch hunderte pusseliger Weihnachtslichtlein. Wahrscheinlich soll der ganze Plunder eine Art „Stimmungslokal“ signalisieren.

Drinnen aber ist dann alles echt gediegen. Die Gäste nicken beifällig: dick aufgetragenes Fachwerk, daß sich die Balken biegen; Stadtmusikanten in allen Batik- und Kupferstich-Variationen; ein „Bremer Salatschlitten“ gemahnt an die Eiswette oder sonstwas; kurz – ein schwer hanseatischer Odem durchweht die schöne Stube.

Und sitzt nicht auch Inge Meysel, Inbegriff des Gutbürgerlichen, drüben neben dem Salatschlitten und knabbert an ihrem Kükenragout? Wenn nicht, dann bestellen wir halt selbst eins. Und finden, daß es auf der Zunge zergeht. Der Spargel: al dente. Die Bierkarte: ausgesucht. Das „Köstritzer Schwarzbier“ hat zwar nur ziemlich entfernt etwas mit Bremen zu tun. Aber es knallt gut. Und wahrscheinlich gibt es auch irgendwo noch eine Nebenlegende, die den Bremer Touristen erzählt, daß sich die Räuber, bevor sie von den Stadtmusikanten verhauen wurden, am leckeren Köstri gütlich taten. Das erklärt dann ja alles. tw

Stadtmusikanten, Tiefer 8, täglich 11-15 und 18-24 Uhr

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