■ Ökolumne
: Innovationsdefekte Von Henrik Paulitz

Wenn in Nordrhein-Westfalen die rot-grüne Koalition wackelt, während Wirtschaftsminister Clement mit Konzernführern nach Südafrika reist und der niedersächsische Ministerpräsident Schröder zusammen mit Daimler- Boß Schrempp zur Innovation der deutschen Wirtschaft nach dem Vorbild Asiens aufruft, dann haben diese beiden Ereignisse eines gemeinsam: Deutschland beschleunigt seinen Ritt in die Globalwirtschaft und muß daher die innere Arbeitsteilung zwischen Staat, Lohnabhängigen und Großindustrie neu bestimmen.

Vorgestern wurden die hohen Löhne, gestern die Steuerlast und heute zur Abwechslung die mangelnde Innovationsfähigkeit der Wirtschaft für die Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht. Wenn Schröder und Schrempp heute Innovationen fordern und die Bedeutung der Lohnkosten relativieren, heißt das noch lange nicht, daß sie morgen nicht wieder die Lohnkosten anprangern. Variationsreich werden Politiker und Bevölkerung mürbe gemacht, und mit Zuckerbrot und Peitsche wird zu suggerieren versucht, der Globalisierungskurs wäre der einzig gangbare und sinnvolle Weg für diese Volkswirtschaft – wir alle müßten nur zu den notwendigen Veränderungen bereit sein.

Doch mit welchen Konsequenzen? Innovation ist nur ein Synonym dafür, die Technisierung dieser Welt ständig weiter voranzutreiben, sei es im industriellen oder im expandierenden Dienstleistungssektor. Universitäten und Entwicklungsabteilungen der Unternehmen sollen ständig irgendwelchen neuen Plunder kreieren, der auf die Menschheit losgelassen wird.

Deutschland soll das bessere Gen-Gemüse, die pfiffigeren Tretminen, die computerisierten Autos und die kleineren Handies produzieren. Und als Deutschland Consult AG soll dieses Land zum Dienstleistungsbetrieb für den Rest der Erde werden: mit Telebanking von der Deutschen Bank, automatisierten Fabriken von Siemens, satellitengesteuerten Lkw-Flotten der VEBA-Tochter Schenker. Und bei den weltweit verbreiteten Breitband-Nachrichten sitzen alle bei Bertelsmann und RWE in der ersten Reihe.

Der Export von Solartechnologien, von Gentechnologie und Kampfflugzeugen – dies alles läuft unter dem Rubrum Innovation. Doch spätestens, wenn auch in Asien Solaranlagen und Windkraftanlagen mit modernster Technik produziert werden, stößt auch dieser High-Tech-Export an seine Grenzen. Schließlich wird man froh sein, wenn die transnational agierenden Großkonzerne nach dem Wegfall aller Gewerbesteuer und kräftigen Subventionsleistungen noch Teile ihrer Produktion im Lande abwickeln.

Schröder, Schrempp und Co. lassen beim Innovationswettlauf eine schlichte, aber zentrale Frage völlig außer acht: Welchen Sinn macht es, Waren in einer globalen Arbeitsteilung zu produzieren und zu vermarkten? Wer sich allein die Prognosen für das Lkw-Aufkommen im entstehenden Europäischen Binnenmarkt ansieht, kann sich die Belastung dieses Planeten durch den künftigen internationalen Verkehr ausmalen. Und während Manager heißhungrig nach Asien reisen, machen sich hierzulande bereits die Effizienzverluste des globalen Kapitalismus bemerkbar. Mittelstand und Handwerk klagen über Lieferschwierigkeiten einer Industrie, die ihre Vertriebswege zentralisiert, die Lagerhaltung auf die Straßen verlagert und die Märkte Asiens vorrangig beliefert. Offenbar können die sich zunehmend monopolisierenden Industriekomplexe nicht gleichzeitig die Weltmärkte und die regionalen Märkte effizient und bedarfsorientiert organisieren.

Warum kommen Politiker wie Wolfgang Clement eigentlich nicht von ihren Verkaufstouren aus Asien und Südafrika zurück, nehmen endlich die Arbeitsmarktpotentiale einer Solarwirtschaft ernst und setzen voll auf ökologisch ausgerichtete Stadtwerke als Kristallisationspunkt für den Aufbau arbeitsplatzschaffender regionaler Wirtschaftsbeziehungen? In den Regionen passen schließlich Preis- und Lohnniveau auch ohne Umwelt- und Sozialdumping zusammen. Dem Rest der Welt bliebe eine Menge Schrott aus Germany erspart. Doch für solche Erkenntnisse sind unsere Politiker und Wirtschaftsführer nicht innovativ genug.