Rechnungshof watscht Minister

ICE-Neubautrasse München – Ingolstadt – Nürnberg mit viel zu hohen finanziellen Risiken belastet. Privatfinanzierung vertagt Probleme  ■ Von Klaus Wittmann

Ingolstadt (taz) – Verkehrsminister Matthias Wissmann und Finanzminister Theo Waigel bekamen vor ein paar Tagen äußerst unangenehme Post vom Bundesrechnungshof (BRH). Die obersten Kassenprüfer urteilen vernichtend über die Pläne der beiden, den Intercity-Expreß künftig von München nach Berlin über Ingolstadt fahren zu lassen. Sie warnen nicht nur ausdrücklich vor dieser Streckenführung, sondern auch vor einer privaten Vorfinanzierung. Auf knapp 16 Milliarden Mark würden dann letztlich die eigentlichen Trassenkosten von sieben Milliarden Mark steigen. Diese Finanzierungsform hatte das Bonner Kabinett im Juli 1995 beschlossen.

Daß der Rechnungshof ein vom Kabinett bereits beschlossenes Projekt so deutlich an den Pranger stellt, ist ein bisher einmaliger Vorgang. Mit dem Prüfbericht VII 1-3125/95 wird die bisher schon kritische Haltung der Rechnungsprüfer noch einmal deutlich verschärft. „Wir sind der Auffassung, daß stärker noch als bei den Vergaben von Bundesfernstraßen nach dem Konzessionsmodell bei der in Frage stehenden Investitionsmaßnahme ein Finanzierungsproblem vertagt, gleichzeitig aber in der Zukunft verschärft wird [...] Die Finanzierungskosten stehen in einem krassen Mißverhältnis zu den Bauausgaben“, heißt es in dem Papier. Außerdem schreiben die Rechnungsprüfer, sie hätten Zweifel daran, „ob in Anbetracht des geringen unternehmerischen Nutzens die Maßnahme zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt realisiert werden sollte“.

Für den bündnisgrünen Bundestagsabgeordneten Albert Schmidt ist das eine schallende Ohrfeige für die Minister Wissmann und Waigel, die sich „wider besseres Wissen für eine unsäglich umweltschädigende Trassenführung stark machen“. Die geplante ICE-Neubautrasse über Ingolstadt nach Nürnberg sei aus mehreren Gründen unsinnig. „Da sind wir uns völlig mit dem Bundesrechnungshof einig“, sagen Schmidt und sein bayerischer Landtagskollege Raimund Kamm. Die Trasse über Ingolstadt sei nicht nur verheerend für die Umwelt, sondern auch ein finanzielles Husarenstück. Nicht einmal eine Minute Fahrzeitgewinn würde mit 14 Milliarden Mark erkauft – um so viel billiger wäre nämlich ein Ausbau der bestehenden Trasse über Augsburg. Dies hätten die Planungen der Münchner Vieregg & Rössler Verkehrsplanungs-GmbH deutlich gemacht. Die Lösung, so Schmidt und Kamm, sei denkbar einfach: Ausbau der bestehenden Strecke München – Augsburg – Nürnberg. Dann sei durch den Einsatz des neuen ICE die gleiche Fahrzeit zu erreichen wie durch die teure Neubautrasse. Der Bundesfinanzminister müsse den Prüfbericht des Bundesrechnungshofes zum Anlaß nehmen, um jetzt noch im letzten Moment die Notbremse zu ziehen, fordert Albert Schmidt. Seine Fraktion hat im Verkehrsausschuß des Bundestages den Antrag gestellt, eine Expertenanhörung durchzuführen, die eine bezahlbare und sinnvolle Planung erbringen soll.