Sozis reden von Treibjagd gegen Linke

■ Warme Worte für den vermutlichen Stasi-Spitzel Dehm

Frankfurt (taz) – „Selbsternannte Inquisitoren zitieren aus der Stasiakte von Dieter Dehm wie aus der Mao-Bibel, während Dehm selbst diese Akten noch nicht einmal sehen durfte.“ Die Bundesvorsitzende der Jungsozialisten, Andrea Nahles, und ihre Vize, Nina Hauer, echauffierten sich gestern – zusammen mit rund 100 weiteren jungen und älteren SozialdemokratInnen – gewaltig: Eine „Treibjagd“ gegen den armen Dr. Dieter Dehm mit der „roten Brause im Kopf“ (Dehm) werde da von den Medien und den politischen „Sensationshaschern“ veranstaltet. „Wenn Stasiakten zum Maulkorb für politische Linke werden, hat die Stasi zum zweiten Mal mit furchtbarer Wirkung gewonnen: McCarthy läßt grüßen.“

„Maulkorb“ für Dehm? Den Mund hat dem unter Stasi-Verdacht stehenden ehrenamtlichen SPD-Magistratsmitglied bislang niemand verboten. Im Gegenteil: Die Frankfurter Sozis, die von Dehm ein klärendes Wort dazu hören wollten, daß er in den siebziger Jahren die eigenen Genossen und den Liedermacher Wolf Biermann bespitzelt haben soll, wurden bislang bitter enttäuscht. Dehm schweigt. Und den Magistratssitz hat er – gegen den Wunsch der SPD-Fraktion in der Mainmetropole – auch nicht geräumt. Einen Abwahlantrag mußte sie wieder zurückziehen, weil er nicht der Hessischen Gemeindeordnung entsprach.

Daß Dehm sein Amt bis zur Klärung der Vorwürfe lediglich „ruhen“ lassen will, hat jetzt die Landtagsfraktion der CDU in Rage gebracht. Trotz „erdrückender Aktenlage“, so ihr Parlamentarischer Geschäftsführer, klebe Dehm an seinem Sessel. Deshalb soll der Landtag den als „Larryn“ bekannt geworden Ex-Protestsänger und „roten Millionär“ (Bild) nächste Woche zum Rücktritt auffordern. kpk