Flexibilisierung sorgt für Streit

Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit spaltet die Belegschaft bei Opel in Bochum  ■ Von Walter Jakobs

Bochum (taz) – Opel-Vorstandschef David Herman war des Lobes voll: Was im Bochumer Opel-Werk Ende März dieses Jahres zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat vereinbart worden war, pries der oberste Chef in der Rüsselsheimer Opel-Zentrale sogleich als „bedeutenden Fortschritt bei der Sicherung industrieller Arbeitsplätze am Standort Deutschland“. Auch beim Bochumer Opel-Betriebsratsvorsitzenden Peter Jaszczyk herrschte Zufriedenheit: Er sei „glücklich, daß wir diesen Vertrag unterschrieben haben“. Der Betriebsrat hoffe, dadurch viele der bedrohten Arbeitsplätze sichern zu können. Rund 4.000 der 15.000 Jobs sollten nach den Plänen der Geschäftsleitung bis zum Jahr 2000 am Standort Bochum wegfallen.

Was den Betriebsratsvorsitzenden so „glücklich“ stimmte, führte im Betrieb selbst in den letzten Wochen indes zu einer bitteren Polarisierung. Auf Initiative einer starken Gruppe von gewerkschaftlichen Vertrauensleuten haben inzwischen 3.710 Beschäftigte ihrem Betriebsrat per Unterschrift ihr „Mißtrauen“ erklärt und ihn zum Rücktritt aufgefordert. Der Riß geht aber auch quer durch den Betriebsrat. Rund ein Drittel der Belegschaftsvertreter lehnen den von der örtlichen IG-Metall-Verwaltungsstelle und der Dortmunder Bezirksleitung gebilligten Pakt ab. Hans Reppel, zweiter Betriebsratsvorsitzender und als linker Sozialdemokrat auf seiten der Minderheit agierend, räumt zwar ein, „daß auch wir um eine Flexibilisierung nicht herumkommen, aber die Unternehmensseite hat bei der jetzt unterschriebenen Betriebsvereinbarung in jedem Punkt noch 'ne Schüppe draufgelegt“.

Im einzelnen sieht der Vertrag vor, daß die wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden je nach Auftragslage unter- oder überschritten werden kann. „Der Ausgleichszeitraum ist so zu bemessen, daß an maximal 18 Monaten Zeitschulden (oder Zeitguthaben) aufgebaut und an weiteren maximal 18 Monaten Zeitschulden (oder Zeitguthaben) abgebaut werden können.“ Bisher üblich war ein Ausgleichszeitraum von 12 Monaten. Neben der wöchentlichen Arbeitszeitflexibilisierung sieht der Vertrag auch die Einbeziehung von 12 Samstagen pro Jahr für jeden Mitarbeiter in die „Regelarbeitszeit“ vor. Auch dagegen laufen die Kritiker Sturm. Reppel spricht von „einer Spirale nach unten, die jetzt durch die Republik geistert“.

Gotthardt Ziegler, Vorsitzender der IG-Metall-Vertrauensleute im Rüsselsheimer Opel- Stammwerk, kann davon ein Lied singen. Opel-Arbeitsdirektor Wolfgang Strinz habe die Bochumer Vereinbarung bei Verhandlungen schon ins Gespräch gebracht: „Nehmen Sie sich ein Beispiel an Bochum!“ Doch in Rüsselsheim werde es die Einbeziehung des Samstags in die Regelarbeitszeit nicht geben. Ziegler: „Da stoßen sie bei uns auf Granit.“ Er könne den ungeheuren Druck, der auf dem Bochumer Betriebsrat laste, zwar ein „Stück weit nachvollziehen“, aber der lange Ausgleichszeitraum von 36 Monaten sei „nicht tarifvertragskonform“.

Der Bochumer IG-Metall-Bevollmächtigte Ludger Hinse weist diese Kritik zurück. Der Tarifvertrag erlaube den längeren Ausgleichszeitraum, „sofern beide Tarifparteien zustimmen“. Diese Genehmigung sei auf der Bezirksebene erfolgt. Hinse sieht in der Vereinbarung einen „Erfolg“, weil damit den Beschäftigten ihr Vollzeiteinkommen trotz schwankender Arbeitszeiten gesichert werde. Darauf, daß im Falle von Mehrarbeit jede Stunde sofort auf dem Arbeitszeitkonto landet, ist Betriebsratschef Jaszczyk sogar ein bißchen Stolz: „Was wir hier erreicht haben, gibt es in der ganzen Bundesrepublik nicht.“

Im vierten Quartal dieses Jahres soll wegen der Umstrukturierung des Bochumer Opel-Werks auf eine Zweilinienfertigung mit der vorübergehenden Reduzierung auf 30 Wochenstunden begonnen werden. Ohne die Vereinbarung, da ist sich Jaszczyk, der als früherer DKP- und PDS-Genosse selbst lange Jahre zur linken Opposition im Opel-Betriebrat zählte, sicher, stünde sonst Kurzarbeit bevor. Daß diese Vereinbarung jetzt im Werk für soviel Wirbel sorgt, resultiert nach Einschätzung von Hinse und Jaszczyk weniger aus dem Vertrag selbst als aus dem Kampf um die Mehrheit im Betriebsrat. Die Minderheit, so Hinse, „mißbraucht dabei zum Teil die Sorgen und Ängste der Belegschaft“.

Diesen Schuh mögen sich die Kritiker indes nicht anziehen. Es gebe sicher auch einen persönlichen Clinch in der Arbeitnehmervertretung, heißt es in einem Flugblatt von vier Betriebräten, doch der Hinweis darauf diene den Kritisierten nur dazu, „von dem Konflikt mit OPEL abzulenken“. Die Rücktrittsforderung liege jetzt auf dem Tisch, „weil die Belegschaft einen anderen Kurs gegenüber Opel will, eben nicht den Kurs des ewigen Verzichtens, samt Verschlechterung unserer bisherigen Arbeitsbedingungen, zugunsten von immer höheren Profiten für die General-Motors-Milliardäre“.