Weg frei für die Islamisten

■ Türkei: Çiller will nicht mehr mit Yilmaz regieren

Aus dem fernen Madrid ließ Tansu Çiller, die Vorsitzende der Partei des rechten Weges, gestern mitteilen, daß die Regierungskoalition „rechtlich und faktisch“ beendet sei. Çiller ist immerhin konsequent: „Dreckskerl“ nannte sie vor zwei Tagen den Ministerpräsidenten und Koalitionspartner Mesut Yilmaz. Der Bruch der rechtsbürgerlichen Koalition ist endgültig, das Affentheater beendet.

Drei Monate hielt sie. Es war von Beginn an eine Schlammschlacht. Die Koalitionspartner warfen sich gegenseitig Korruptions- und Bestechungsskandale vor. So wurde klar, was der eigentliche Sinn von Regierungsbeteiligung ist: „Bereichert euch!“ Keiner hat das so gut begriffen wie Dollarmillionärin und Immobilienspekulantin Tansu Çiller.

Doch nicht die erbitterte Feindschaft zwischen Mesut Yilmaz und Tansu Çiller, beide rechte Ideologen, ist bemerkenswert. Der Bruch ist Ausdruck einer zentralen politischen Entwicklung: Die rechtsbürgerlichen Parteien, die im Staatsapparat, doch nicht in der Gesellschaft verankert sind, zerfallen. Die Repressionsinstrumente des Staates wurden Hauptinstrumente der Politik: Militär nach Kurdistan, Polizeiknüppel gegen Gewerkschafter, Todesschwadronen gegen Regimekritiker. Diese Politik hat den Islamisten, die sich als moralische Saubermänner ausgeben konnten, in die Hände gearbeitet.

Die Koalition war nur ein Notkonstrukt, um die islamische Wohlfahrtspartei, die bei den Wahlen Ende vergangenen Jahres als stärkste Partei hervorging, von der Macht fernzuhalten. Die Minderheitenkoalition ist gescheitert. Eine stabile Regierung wird es nun nur mit der Wohlfahrtspartei geben. Yilmaz und Çiller wird es entgegenkommen, daß Islamist Necmettin Erbakan und seine Wohlfahrtspartei so koalitionshungrig sind. Die Islamisten, die sich als Alternative zum politischen System präsentieren, würden am liebsten Teil des verrotteten Systems werden.

Den bürgerlichen Politikern, die erst den Weg für das Erstarken der Islamisten geebnet haben, fällt nun die Aufgabe zu, den Handel perfekt zu machen. Am ehesten ist dies der Spielerin Çiller, die Wahlkampf mit der islamistischen „Gefahr“ betrieb, zuzutrauen. Das dreist zu nennen ist noch untertrieben. Ömer Erzeren