Nie wieder Baumwollpflücken

■ Das Bluesfestival auf der Breminale: spannende Variationen über ein altvertrautes Thema, nebst zugehöriger Bier-Rituale

Den Blues hatte mancher Zuhörer schon, bevor noch die erste Gitarre zu klagen begann: Spätestens, nachdem sie tropfend durch den matschigen Rasen zum Kraftwerk-Zelt am Osterdeich getrottet waren, hatten die Blues-Enthusiasten an diesem Wochenende die angemessene Grundstimmung für das Festival auf der Breminale. Aber die Blueskenner sind ja ein treues Publikum. Teils waren sie von weit her zum Festival gepilgert, standen im Zelt zwar nicht (wie in früheren Jahren) eng gedrängt, füllten es aber gut. Außerdem liefen die Zapfhähne des Bierausschanks im Zelt ununterbrochen – das Blues-Ritual will es so, und den Schankwirt freut es.

Das Festival des letzten Jahres litt ja teils unter seinem Umfang: Zu viele Bands traten da an drei Tagen auf die Bühne und ihre Musik drohte, sich in einer diffusen Beliebigkeit zu verlieren. Diesmal mußten die Veranstalter sparen – nicht zum Nachteil des Festivals: So war man gezwungen, wieder mehr auf Qualität als auf Quantität zu setzen.

Die jeweils ersten Bands der beiden Abende, die holländische „Dick Greenwood Band“ und „The Bluescaster“ aus Münster spielten zwar kompetenten, aber halt auch schon tausendmal gehörten Allerwelts-Blues zum Anwärmen. Aber die vier Bands aus den USA bewiesen, daß man die wenigen, immer gleichen Blues-Elemente auch heute noch so originell variieren kann, daß die Musik nie ganz vorhersehbar wird und deswegen den Thrill nicht verliert.

Der schwarze Sänger und Gitarrist Sam Taylor etwa, der seit 40 Jahren im Musikgeschäft aktiv ist, hält die Spannung in seiner Musik dadurch aufrecht, daß er in seiner Band mit weißen und sehr jungen Musikern spielt. Bei den beiden Auftritten seiner Band würzte Taylor den Blues außerdem mit viel Soul, Rock und Countrymusik.

Trotz seiner kraftvoll beseelten Stimme ließ sich Taylor beinahe die Show von seiner Mitspielerin Heather Hardy stehlen. Die einzige Musikerin des gesamten Festivals spielte ihre elektrische Violine so energiegeladen, daß sie die größte Überraschung dieses Festivals lieferte.

Auch der Sänger und Gitarrist Lonnie Brooks aus Louisiana rieb sich bei seinem Auftritt an jüngeren Musikern. Sein eigener Sohn Ronnie Baker Brooks lieferte ihm Gitarren-Duelle, und dessen virtuose Zirkuskunststückchen schienen das Publikum fast mehr zu begeistern als die wunderschön singende Gitarre seines alten Herren.

The King Brothers räumten am zweiten Abend mit den nostalgischen Klischees vom Blues auf. „Ich versteh nichts vom Baumwollpflücken, ich trinke keinen Whiskey und ich zieh mir auch nichts durch die Nase rein.“ sagt Gitarrist und Sänger Lee King, der zusammen mit seinem Bruder Sam am Schlagzeug einen knallharten, modernen Blues entwickelte. Mit Syntheziser-Sounds und Funk-Rhythmen schüttelte diese Band die im Grunde ja eher konservative Bluesgemeinde ordentlich durch.

Einige hätten vielleicht gemault, wenn das Festival so hart und unromantisch ausgeklungen wäre, aber „The Fabulous Thunderbirds“ versöhnten das Publikum dann schließlich wieder bei klassisch gespieltem Mainstream-Blues. Mit Boogie-Woogie-Piano und schönen, nicht enden wollenden Soli auf der Mundharmonika beendeten die fünf weißen Musiker das Festival mit ausgelassener Party-Stimmung.

Und viele auswärtige Besucher gingen schließlich in bester Laune zu ihren falsch geparkten Autos, die mit einem Strafzettel verziert waren. Da hatten sie dann wieder ihren so heißgeliebten Blues. Willy Taub