Na denn mal prost, Deutscher Presserat! Von Mathias Bröckers

„Veröffentlichungen in der Presse dürfen den Gebrauch von Drogen nicht verharmlosen“, so hat es vor kurzem der Deutsche Presserat verkündet. Und als politisch korrekte Pressevertreter sind wir gehalten, dem Gebot unseres weisen Rats zu folgen. Berichte vom Münchner Oktoberfest oder vom Kölner Karneval werden künftig entfallen beziehungsweise nur dann veröffentlicht, wenn Begriffe wie „Bierzelt“, „Gaudi“, „Stimmung“ und andere den Alkoholismus verharmlosende Assoziationen darin nicht vorkommen. Begeistert mit Champagner um sich spritzende Rennfahrer, Politiker, die sich grinsend mit Maßkrügen zuprosten, fröhlich trinkende und rauchende Promis in VIP-Zelten – auf derlei Bildmaterial werden wir in Zukunft verzichten.

Dasselbe gilt für Sportübertragungen und die wöchentliche Fußballshow: Daß Sportbegeisterte hier von Kindesbeinen an mit Alkoholwerbung traktiert werden, daß vor dem Spot „Keine Macht den Drogen“ Bierwerbung läuft und danach Bommerlunder gepriesen wird – all dies wird in den deutschen Medien künftig nicht mehr vorkommen. Ob eine Berichterstattung von den Olympischen Spielen noch journalistisch korrekt sein kann, wo diese doch vom weltgrößten Zuckerwasserhersteller bezahlt werden und gleichzeitig der Mißbrauch der Droge Zucker weltweit zu gigantischen Gesundheitsschäden führt? Nach der neuen Invektive des Presserats müßten derlei Fragen ernsthaft gestellt werden.

Aber wo hören „Genußmittel“ auf, und wo fangen „Drogen“ an, wo geht „nicht verharmlosen“ in „verteufeln“ über, wo der moralische Auftrag der Presse in Bigotterie? Der Droge Auto, dem Suchtmittel Geschwindigkeit, sind in Deutschland allein an diesem Wochenende über 50 Menschenleben zum Opfer gefallen – ist es da nicht grob verharmlosend, am nächsten Tag Jubelartikel über das neuste V-8-Geschoß von BMW oder Audi ins Blatt zu rücken: „Durchzug“, „Power“, „235km/h!“? Die Wachstumsdrogen- und Futtercocktails der industriellen Tierhaltung führen zu Leid und Elend bei Tieren, bei Menschen neuerdings bis zum Wahnsinn – hätte die Presse da nicht schon längst über den Horror der Massentierhaltung aufklären müssen, statt diesen Drogenmißbrauch selbstverständlich hinzunehmen? Oder die Drogen für den Acker, die Spritzmittel, Pestizide und Herbizide, die Erde und Grundwasser nachhaltig verseuchen – hat hier nicht jahrzehntelange Verharmlosung schon zu schwer wiedergutzumachenden Verwüstungen geführt? Und die verharmlosende Mauer des Schweigens um die Bundestagskantinen und -kneipen – ist es nicht wirklich an der Zeit, der Öffentlichkeit klarzumachen, daß die stärkste Mehrheit unter den demokratischen Volksvertretern nur einer hat: König Alkohol?

Könnte es nicht sein, daß die politische Krise auch damit zu tun hat, daß die Verantwortlichen den Karren in den Dreck gefahren haben und nun ihren Frust über die Pleite jetzt im Suff ertränken? Müßte da nicht dringend mal recherchiert werden? Wie? So war das alles gar nicht gemeint? Wir sollen halt nur die Fixer, Hascher und Ecstasy-Kids ein bißchen mehr verteufeln und ihre Abartigkeit und Kriminalität nicht länger verharmlosen? Na denn mal prost, Deutscher Presserat!