Hochniveautös zum Titel vibriert

■ Bremens Kicker Vibrator Moskowskaja wurden in Bielefeld deutsche Alternativmeister – das ist neu und alles andere auch

Bielefeld (taz) – Die 10. Deutschen Alternativfußballmeisterschaften werden aus vielen Gründen in die Geschichte eingehen: Weil sich die Wolken unerbittlich ausdauernd erbrachen, durfte so wunderschön ekelhaft wie nie durch Tiefschlamm gestolpert, gerobbt und gegrätscht werden. Bodenständigkeit war ausgeschlossen, und Torerfolge konnten mit ziemlich alternativen Matsch- und Sumpfdivern gefeiert werden. So die Bürokratie will, wird dieses Pfingsten das letzte Mal gewesen sein, daß sich der frisch eingedeutschte, damit extürkische Cengiz „Vialli“ Özdemir, wunderwadiges Stürmerwiesel aus Krefeld, mit Anführungszeichen schreiben muß: Er hat hochoffiziell beantragt, seinen Vornamen in Vialli umzuändern.

Noch nie blamierte sich ein Team derart wie Exmeister Rote Nullen aus Aachen: Im Vorjahr abgrundtief beleidigt, weil als Titelverteidiger nicht eingeladen, sagte man jetzt einen Tag vor Turnierbeginn wegen Spielermangel ab. Noch nie wurde ein Kicker wie Petermanns Stürmer R. Osnowski von den Seinen des frühen Sonntagmorgens aus Köln eilends herbeigerufen, um dann höchstselbst den allesentscheidenden Elfmeter gegen Vibrator zu verschießen.

Erstmals auch konnten sich leibhaftige „Titanic“-Spaßologen als wacker mitkickende Gruppe Karkossa vom hohem Humorniveau der Buntballwelt überzeugen. Und noch nie scheiterte ein Team so tragisch kondomdünn an der Qualifikation zum Viertelfinale wie Juventus Senile. Das uneindeutige Regelwerk (Torverhältnis von 6:3 gegenüber 5:2 der Roten Beete) hätte Möglichkeiten zum Protest bis mindestens zum Menschengerichtshof gegeben. Aber niemand kam auf die Idee. Die größte Novität: Erstmals mußte in Bielefeld gespielt werden.

Was vielerteams Befürchtungen geweckt hatte, wg. ostwestfälischer Sprödigkeit. Auch hatten sich die Finsterlinge vorab den düsteren Fauxpas erlaubt, die Granden von Flamengo Rosenau nicht einzuladen. Dann aber erlebten alle ein prima organisiertes Fest mit integrierter 20-Jahr-Feier der heimischen Wilden Liga, mit zauberhaftem Kinderbegleitprogramm, und bewundernswertem sportlichem Absturz: Titelverteidiger Finsterlinge wurde letzter. Und Eifelstraßen-Teamchef A. Blickhäuser flunkerte kühn, man habe „nur für die Freunde von Flamengo gespielt“ und widme diesen den stolzen vierten Platz.

Und noch nie gab es ein derart hochniveautöses Finale wie das zwischen den flinkfüßigen Bremern von Vibrator Moskowskaja und den bissigen Piranhas aus Regensburg. Es wurde, wie das Pokalfinale im anderen Fußball, durch einen mauerteilenden Freistoß in der 42. Minute (vor-)entschieden. Triumphaler Endstand war dann allerdings 3:0. Vibrator brummt – Konkurrenz verstummt: Nächstes Jahr dürfen sich alle durch Bremer Schlamm wühlen. Na sdarowje dem Team „mit dem vibrierenden, unprätentiös lässigen Stil“ (zutreffende Eigeneinschätzung). Bernd Müllender