Keine Wauwaus von Helmut Kohl

Bärbel Bohley und Jürgen Fuchs werben Rudolf Scharping für ihr Projekt „Bürgerbüro“ gegen alte SED-Seilschaften. Der SPD-Fraktionschef zeigt Sympathie, aber ziert sich noch  ■ Aus Berlin Holger Kulick

Er kam heimlich, um 9 Uhr früh am Pfingstsonntag, in Jeans und noch mit Sticker vom 1. FC Kaiserslautern am Revers, denn am Vorabend hatte er das Pokalfinale in Berlin besucht. Zum zweiten Mal hatte die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley den SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping in ihr Atelier am Prenzlauer Berg eingeladen. Kein Aufsehen sollte es geben, wie letzten Sommer, als Helmut Kohl kam. Anlaß des zweistündigen Gesprächs: Am 17. Juni soll im Berliner Martin-Gropius- Bau ein neues Projekt von Teilen der ehemaligen DDR-Bürgerrechtsbewegung gegründet werden. Der Verein „Bürgerbüro“. Er soll parteiübergreifend Hilfe zur Selbsthilfe gegen alte SED- und Stasi-Seilschaften vermitteln. Das Büro will Öffentlichkeit schaffen, wo alte Kader neues Unrecht begehen. „Hier geht es vor allem um die kleinen Leute“, sagt Jürgen Fuchs, „die aufgemuckt haben in der alten DDR und schon jetzt sehen, wir sind wieder die letzten Arschlöcher.“

Nachdem aber Helmut Kohl öffentlichkeitswirksam als Unterstützer des Vereins vorgeprescht war, hatten sich viele Bürgerrechtler von Bärbel Bohley abgewandt und warfen ihr vor, sich vom Kanzler vereinnahmen zu lassen. Doch „wir sind nicht die Wauwaus von Helmut Kohl“ beschwört Jürgen Fuchs. Es gehe darum, verantwortliche Politiker einzubinden und so zu öffnen für Kritik. Das sei auch ihr Ziel in der DDR gewesen, „denn mit Honecker geredet“, so Bärbel Bohley, „hätten wir gern“. „Der Schritt bei einem solchen Verein mitzumachen, heißt Lernbereitschaft zu zeigen“, formuliert Bärbel Bohley. So habe Helmut Kohl bei ihrer jüngsten Begegnung vor zwei Wochen heftige Kritik an seiner China- und Rußlandpolitik einstecken müssen.

Weitere Mitinitiatoren des Bürgerbüros sind Katja Havemann, Freya Klier, Erhardt Neubert, Günter Nooke, Wolfgang Templin und Konrad Weiß. Auch Ignatz Bubis hat dem Bürgerbüro jetzt seine Unterstützung zugesagt. An Rudolf Scharping soll es nun liegen, aus dem Projekt eine überparteiliche Einrichtung zu machen, aus der später auch eine Stiftung werden soll. Bereits am Sonntag bekundete der SPD-Fraktionschef „Interesse und Sympathie“ für das Projekt, hielt sich aber mit einer endgültigen Zusage zurück. „Ich unterstütze das, und in welcher Form das geschieht, teile ich in den nächsten Tagen mit“, so Scharping zur taz. Zuvor muß er mit Parteichef Lafontaine darüber beraten, und sicher auch mit dem Ostbeauftragten der SPD, Manfred Stolpe. „Den aber wollen wir hier nicht“, äußern Bohley und Fuchs, „genausowenig wie von der CDU einen Lothar de Maizière.“