Kleine Fische voller Angst

■ Zwei Männer stehen wegen Hilfsdiensten beim Drogenhandel vor Gericht / Besitzer der 18 Kilo Heroin läuft noch frei herum

18 Kilogramm Heroingemisch in einem gelben Sack und zwei offensichtlich kleine Fische werden die vierte Große Strafkammer des Landgerichts wohl bis nach der Sommerpause beschäftigen. Der 50jährige Ibrahim P. und der 31jährige Piotr M. sind wegen Drogenhandels angeklagt.

Der Staatsanwaltschaft geht davon aus, daß der Dealer Mahmout C. dem Familienvater P. 3000 Mark für seine Hilfsdienste versprochen hat. In einem Schrank bei einer Bremer Energietechnik-Firma, bei der P. und seine Frau als Reinigungskräfte arbeiteten, hatte der Angeklagte 37 Pakete mit weißem Pulver gebunkert. Sie enthielten zwischen 68 und 64 Prozent Heroin. Auch bei P. zu Hause waren die Fahnder auf vier weitere Päckchen gestoßen.

Nachdem P. der Polizei ins Netz gegangen war, heuerte der Dealer Piotr M. an, um den Stoff abzuholen und sicher zu verwahren. Dabei wurde er ebenfalls geschnappt und sitzt seitdem wie Ibrahim P. im Gefängnis Oslebshausen. Nur der Drahtzieher der Geschäfte ist noch auf freiem Fuß.

So kauerten denn der jungenhaft wirkende Pole, dessen Frau und Schwester auf der Zuhörerbank mitfieberten, und der verängstigte Familienvater, dessen Frau und Tochter als Zeugen aussagen sollen, auf der Anklagebank. Es scheint, als habe ein Profi die Naivität von zwei wenig ausgebufften Hobby-Gangstern ausgenutzt.

Der Geist des flüchtigen Dealers Mahmut C. schwebte denn auch im Gerichtssaal. „Mein Mandant ist voller Angst“, sagte der Pflichtverteidiger zur Begründung, warum Ibrahim P. die Aussage zunächst verweigern wollte: „So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Weil auch der Pole nichts sagen will, wird sich der ursprünglich auf sechs Verhandlungstage angesetzte Prozeß voraussichtlich bis in den August hinziehen.

Ein Freundschaftsdienst sei es gewesen, das Heroin aufzubewahren, beteuerte der angeklagte Türke über seinen Dolmetscher. Daß sein Mandant das Heroin verwahrt hatte, bestätigte auch der Verteidiger. Nie habe er jedoch damit handeln wollen. Auch die Ehefrau habe nicht gewußt, worauf sich ihr Mann eingelassen habe.

Nachdem P. im November 1995 festgenommen worden war, nutzte die Polizei offenbar P.s Frau und Tochter als Lockvögel, um den Hintermännern auf die Spur zu kommen. Doch die großen Fische blieben im Hintergrund. Die Fahnder gerieten nur an den 31jährigen Polen Piotr M. Gegen das „Versprechen eines finanziellen Vorteils“ soll der junge Mann versucht haben, den Stoff zu sichern. Er traf sich mit P.s Frau und Tochter. Die händigten ihm zwei Taschen aus. Darin war allerdings längst kein Heroin mehr. Das Zollfahndungsamt hatte die Drogen sichergestellt und dafür ein Ersatzpulver hinterlegt. jof