Nicht in die Tasche lügen

Halbwegs vernünftige Entscheidungen kommen in der Politik heutzutage selten vor. Oft werden für Großprojekte irrwitzige Geldsummen zum Fenster hinausgeworfen, Menschen und Umwelt müssen sich den Interessen der Industrie unterordnen. Die Entscheidung für den Ausbau des Flughafens Schönefeld hingegen kann man akzeptieren, die negativen Auswirkungen werden sich in Grenzen halten.

Mit ihrem Votum gegen den Neubau eines riesigen Flughafens in der märkischen Heide bei Sperenberg haben die Bundesregierung, der Berliner Senat und die Brandenburgische Landesregierung Augenmaß bewiesen. Die Naturvernichtungsorgie in der Provinz ist komplett überflüssig, schließlich gibt es in Schönefeld bereits einen funktionierenden Flughafen. Diesen wird ein Industriekonsortium nach Bedarf ausbauen.

Freilich sollte man sich nicht in die Tasche lügen. Der neue Hauptstadtflughafen wächst in Zukunft, zumal wenn Tegel geschlossen wird. Tausende von Bonner BeamtInnen pendeln schon bald per Flugzeug zwischen Spree und Rhein. Außerdem deuten viele Prognosen darauf hin, daß sich die Fliegerei rund um den Globus in den kommenden Jahren verdoppelt. Da ist es ehrenwert und auch richtig, den Flughafen Schönefeld auf die schon existierende Start- und Landebahn beschränken und auf die zweite Betonpiste verzichten zu wollen, wie es die Bündnisgrünen verlangen. Ob sich das aber durchsetzen läßt, darf bezweifelt werden – selbst wenn man die schnellen, überregionalen Bahnlinien ausbaut. Die steigende Lärm– und Abgasbelastung für die AnwohnerInnen von Schönefeld, namentlich des Dorfes Diepensee, das direkt neben den Rollfeldern liegt, ist denn auch die Kehrseite der Flughafenentscheidung. Angesichts des Schicksals dieses Ortes kann einem die Genugtuung über die Standortwahl im Halse steckenbleiben. Zermürbt von den lauten, stinkenden Nachbarn wird sich Diepensee mit der Zeit entvölkern. Hannes Koch