Erinnerungen an den Kalten Krieg

■ Streit in der Union und Ärger in Tschechien über die Reden von Waigel und Stoiber auf dem Sudetendeutschen Tag

Prag (taz) – Edmund Stoiber und Theo Waigel, die beiden CSU- Politiker, haben es geschafft: Ihre Äußerungen auf dem Sudetendeutschen Tag in Nürnberg, wonach „die Tschechen“ die Verbrechen „an Deutschen“ bedauern sollen, sorgen für Ärger. Hüben und drüben. In Bonn kritisierte FDP-Chef Wolfgang Gerhard die „kraftmeierischen Töne“, die dem Anliegen der Vertriebenen nur geschadet hätten. Ihr außenpolitischer Experte Jürgen Koppel sprach gar vom „Rückfall in den Kalten Krieg und Revanchismus“. Geschafft haben es der bayerische Ministerpräsident und der Bundesfinanzminister jetzt auch, daß die sensiblen deutsch-tschechischen Beziehungen zum Wahlkampfthema in Prag geworden sind.

Wenige Tage vor den ersten Parlamentswahlen in der selbständigen Tschechischen Republik am kommenden Freitag nutzen die Politiker an der Moldau nun den Anlaß, um sich vor ihren potentiellen Wählern zu profilieren.

Ob Regierung oder Opposition, empört ist man in Tschechien über den Ton der Reden und die erneuten Forderungen nach einer Entschuldigung für die Vertreibung der Sudetendeutschen, der Aufhebung der sogenannten Beneš-Dekrete und der Einbeziehung der Sudetendeutschen in die Verhandlungen zwischen Bonn und Prag. An die Erfüllung dieser Forderungen hatte der bayerische Ministerpräsident Stoiber die Aufnahme Tschechiens in die EU geknüpft. Der tschechische Premier Václav Klaus zeigte sich überrascht, daß man von den Tschechen erwarte, daß sie mit Bedauern über den Zweiten Weltkrieg sprechen. „Gerade die deutsche Seite sollte in einem sehr leisen Flüsterton über dieses Ereignis sprechen.“ Eine Belehrung darüber, was ein Rechtsstaat sei, brauche man an der Moldau nicht. Unerwartetes Lob erhielt der Premier für seine kritischen Worte vom Chef der größten Oppositionspartei, dem Sozialdemokraten Milos Zeman. Doch es handele sich wohl nur um einen Wahlkampfzug, so Zeman. Im Gegensatz zur Klaus-Partei ODS (Demokratische Bürgerpartei) hätte seine Partei all die Forderungen, die nun erneut aus Nürnberg zu hören waren, längst abgelehnt. Sein Stellvertreter, Václav Grulich, fand noch härtere Worte und bezeichnete die Äußerungen des Premiers als reines Wahlkampftheater. Schließlich hätten doch gerade Klaus und seine Regierung zur Schaffung des Klimas beigetragen, in dem die Sudetendeutschen immer mehr Forderungen stellen würden.

Etwas zurückhaltender reagierte lediglich Außenminister Josef Zieleniec. Diesem müssen die Worte Stoibers, daß noch kein Deklarationstext existiere, bitter aufgestoßen sein. Denn erst am Freitag, als Zieleniec auf einer Pressekonferenz Bilanz über seine vierjährige Tätigkeit zog, hatte der tschechische Minister die positive Entwicklung der deutsch-tschechischen Verhandlungen gelobt und erklärt, daß er persönlich in den nächsten Monaten mit dem Abschluß der Deklaration rechne. Allen Reden aus Nürnberg zum Trotz blieb der Chef-Diplomat bei seiner Sicht der Dinge: die Verhandlungen schreiten fort, zudem fühle er den Willen vieler deutscher Politiker, den gesamten Prozeß zu beenden. Doch Verhandlungspartner könne nur die Bundesregierung sein, so Zieleniec. Katrin Bock