Jelzins Marionettenregierung hat ausgedient

■ Der von Rußland eingesetzte Präsident Sawgajew ist nur noch als Statist gefragt

Moskau (taz) – Am Montag hatte er immerhin noch mit gekränktem Milchbrötchengesicht am Verhandlungstisch zwischen Boris Jelzin und dem Rebellenchef Selimchan Jandarbijew gesessen: Doku Sawgajew, einst erster Parteisekretär der Republik Tschetschenien und zuletzt Präsident der von Moskau dort eingesetzten Marionettenregierung. Aber vor diesem russisch-tschetschenischen Gipfeltreffen zeigte er sich kaum informiert über die geplante Tagesordnung. Das Abschlußprotokoll unterzeichnete er nicht mit. In welcher Eigenschaft er eigentlich diesmal im Kreml herumsaß, blieb vielen schleierhaft. Auch dem Menschenrechtler Sergej Kowaljow, der maliziös stichelte: „Ich verstehe überhaupt nicht, ob Sawgajew bei diesen Verhandlungen als selbständiger Teilnehmer auftritt oder als Mitglied der russischen Delegation. Ich glaube, daß er nur die letztere Funktion wirklich erfüllen könnte.“

Selbst noch als reiner Statist sitzt Sawgajew buchstäblich im Wege. Ende Juli vorigen Jahres hatten sich eine russische und eine tschetschenische Delegation praktisch schon geeinigt, wie der Übergang vom Waffenstillstand zum Frieden zu regeln sei und wie man die beidseitige Abrüstung kontrollieren könne. Noch im Herbst bestand Hoffnung auf eine russisch- tschetschenische Annäherung. Den großen Rückschlag brachten erst die klar gefälschten, im Operettenstil durchgeführten tschetschenischen Wahlen vom letzten Dezember, durch die Sawgajew als Herrscher des Berg- und Zwergstaates legitimiert werden sollte. Von der Mehrheit der dortigen Bevölkerung wurde dieses Schauspiel nur als Auftakt zu erneuten russischen Aggressionen gesehen. „Die Dezemberwahlen in Tschetschenien und die Wiederaufnahme der Kampfhandlungen direkt danach haben das im Sommer hergestellte Vertrauen stark erschüttert“, summiert heute Bürgerrechtler Kowaljow.

Sawgajews Tage sind gezählt, nicht nur weil den von ihm eingesetzten Administratoren märchenhafte Korruptheit nachgesagt wird – 6,8 Milliarden Rubel, die die Duma letztes Jahr für den Wiederaufbau Tschetscheniens bewilligte, versickerten zum Großteil auf geheimnisvollen Konten. Die russische Seite hat einfach derzeit in ihren Verhandlungen mit den Freischärlern wenig einzusetzen. Daß der Kreml eine Konzession machte, indem er Sawgajew isolierte, wird von den Führern des tschetschenischen Widerstands als klares Zeichen guten Willens anerkannt. Wenn die Russen diesen Weg weitergehen wollen, müssen sie Jandarbijew de facto als einzig legitimes Haupt seines Volkes behandeln. Barbara Kerneck