Falsche Bilanzen, Millionen Verluste

■ Jahrelang versteckten Manager des Konzerns Klöckner-Humboldt-Deutz Hunderte Millionen Mark

Berlin (taz/AP) – Turbulentes Pfingstwochenende für die Manager der Klöckner-Humboldt-Deutz AG (KHD) und die Chefs des Hauptaktionärs, der Deutschen Bank: Am Freitag gestand ein Vorstand der Tochterfirma Humboldt Wedag, daß er und einige Mitarbeiter Hunderte Millionen Mark Verlust aus den Büchern haben verschwinden lassen.

Das bedeutet, daß die sowieso seit Jahren am Rande der Pleite dahinschrammende KHD nun einen starken Stoß in Richtung Abgrund erhält. Der letzte Jahresbericht nach dem Aktiengesetz ist nun wohl nichtig. Die Banken, die dem Maschinenbauer in den letzten Jahren Geld geliehen haben, wußten natürlich von dem neuen Millionenloch noch weniger als der Vorstand des Gesamtkonzerns. Wenn sie der KHD nun die Kredite sperren, ist eines der traditionsreichsten deutschen Unternehmen bankrott. Wenn nicht, müssen sie wieder viel Geld an einen unsicheren Darlehensnehmer überweisen – allen voran der Hauptaktionär Deutsche Bank. Die Frankfurter Großbank besitzt 47,7 Prozent der Anteile und den Vorsitz im Aufsichtsrat der KHD.

Die Muttergesellschaft Klöckner-Humboldt-Deutz in Köln tappte gestern selbst noch im dunkeln, wie die Verluste bei der Tochter geheimgehalten werden konnten: Eingetretene oder drohende Verluste im Anlagenbau sind seit 1993 nicht in den Bilanzen aufgetaucht, so ein Unternehmenssprecher. Verantwortlich für die jahrelangen Manipulationen seien mehrere Vorstandsmitglieder der Tochterfirma, eine Reihe von Mitarbeitern sowie außenstehende Dritte. Die Folgeverluste seien jetzt noch nicht absehbar.

Die jährlichen Checks der Bilanz können solche Betrügereien kaum aufdecken. „Die Abschlußprüfung ist nach derzeitiger Rechtslage nicht darauf ausgerichtet, Unterschleif zu entdecken“, sagt Dieter Pfefferer von der Bundeskammer der Wirtschaftsprüfer. „Dazu wären umfangreichere und damit auch teurere Prüfungen nötig.“ Bis zu einer bestimmten Größe lassen sich also Verluste und Gewinne unbemerkt verstecken – in diesem Fall anscheinend sogar ohne Wissen der obersten Geschäftsleitung.

In den letzen Jahren kam die KHD nicht mehr aus den Schlagzeilen. Sie ist weltweit eine der bekanntesten Firmen für Dieselmotoren aller Art, für Anlagen in Zementwerken und Kläranlagen. Die Urzelle der Firma, „N. A. Otto & Cie“, war 1864 die erste Motorenfabrik der Welt und wurde gegründet von jenem Nicolaus August Otto, der den Viertakt-Ottomotor erfand. Später pumpte der schwerreiche Peter Klöckner sein Geld in die Expansion der Motorenbauer. In den achtziger Jahren dieses Jahrhunderts jedoch kaufte der Konzern zu viele zu marode Unternehmen. Außerdem verspekulierte sich die Finanzabteilung 1987 mit Ölkontrakten an der Warenbörse: Trotz Aufsicht durch die Deutsche Bank liefen 600 Millionen Mark Verluste auf, der Konkurs drohte.

Damals halfen die Banken mit Krediten, eine neue Motorenfabrik wurde gebaut, der Konzern knallhart saniert. Doch die Firma kam nur langsam aus den Tiefen des roten Bilanzbereichs. 1995 lag das Minus bei einem Umsatz von 3,3 Milliarden Mark noch bei 174 Millionen. Im Februar 1995 mußte ein Bankenkonsortium unter Führung der Deutschen Bank abermals zur Rettung schreiten, damit ihre bisherigen Investitionen nicht ruiniert wurden. Allein der Anteil der Deutschen Bank lag dabei nach eigenen Angaben bei 500 Millionen Mark. Nun richten die Frankfurter Banker abermals über das Schicksal der KHD und seiner derzeit noch noch 9.400 Mitarbeiter. Reiner Metzger