Verfeinerungen

■ Das HipHop-Trio Fugees nimmt alte Styles in überbordender Vielseitigkeit auf

Kein Zweifel, die Fugees sind ein Glücksfall. Mit ihrer zweiten Platte, The Score, knüpfen sie an bestimmten Punkten der 15jährigen Hip-Hop-Geschichte an, verfolgen verlorene oder verschenkte Traditionslinien und erreichen gerade über diese Rückbesinnung eine Erneuerung – wenigstens aber einen Aufbruch aus der gegenwärtigen Lethargie bei Machern und Hörern. Ihre Rückbesinnung zu Reggae, Native Tongue und Old School geht nicht davon aus, daß Musikgeschichte über einmal diskreditierte Formationen hinwegschreiten sollte. Gerade hier setzten sie an, um Errungenschaften weiterzutragen, Fehler aber zu vermeiden.

Das wird besonders bei ihrem Verhältnis zur Native Tongue deutlich. Einer ihrer Hits, „Killing Me Softly“, basiert bis in die Feinarbeit auf „Bonita Applebum“ von A Tribe Called Quests Debut. Anders als die Native Tongue, die das Sample-Arsenal um Pop und Mickey Mouse erweiterte, entwerfen die Fugees aber kein Paralleluniversum im Daisy Age, voller Nerds und knallbunter Bonbons mit Brausefüllung. Diese Phantasiewelten, die zur Verdrängung der Native Tongues aus den inneren Kreisen des HipHops führten, füllt das Trio mit den haitianischen Ahnen, ohne explizit politisch zu sein, mit politischen Metaphern wie dem „Refugee Camp“, dem Flüchtlingslager New York.

Übernommen wurde aber die Sample-Bandbreite, die vor nichts und niemand halt macht und der Sprachwitz in den Raps von Prakazrel Michel. An einer Stelle kommentiert der Pras genannte Rapper die Hahnenkämpfe der HipHop-MCs mit „Ich war unterschätzt, bis ich Eisen nahm. Jetzt habe ich Verstopfung.“ Gleichzeitig ironisiert er mit dieser Wendung den Be-Real-Zwang, der viele Formationen zu einer härteren Gangart nötigt. Anders die Fugees. Sie setzen auf das eigentlich bereits diskreditierte Konzept der Versatility, der überbordenden Vielseitigkeit. Ihr musikalischer Kopf, Wyclef Jean, holt sogar Jodler und Folk-Gitarren wieder in seinen Sample-Computer und baut so die Selbtsreflexivität im HipHop ab.

Komplettiert werden die Fugees erst von der Sängerin und Rapperin Lauryn Hill. Mit Anfang 20 bereits einen Kurzauftritt in Sister Act II absolviert, singt Sister Lyn Teena Maries Refrain „Ooo La La La“ – im HipHop eigentlich verpönt – stilsicher nach und baut ihn so variabel ein. So funktionieren die Fugees – was sich auch live zeigen wird – wie eine flexible Band, deren unterschiedliche Mitglieder ihre Vorlieben und Fähigkeiten zur Verfeinerung des Ganzen einbringen.

Mit dieser Offenheit wurde The Score wie schon der Vorgänger Blunted On Reality zu einer Art Sampler, zum Angebot einiger gängiger HipHop-Styles. Dabei ist ihre Devise aber ein überzeugtes „Nicht-Nur“ und kein beliebiges „Alles-Geht“. Explizit – und darin lassen die Fugees bei aller Spielfreude keine Kompromisse zu – ist ihre Ablehnung von Drogen und Black-On-Black-Crimes. An diesen Eckpfeilern wird, bitte schön, nicht gerüttelt.

Volker Marquardt Sa, 1. Juni, 21 Uhr, Große Freiheit