Streß macht Macker

■ Dichtes Gedränge auf Hamburgs Ententeichen schürt Erpels Aggressionen

Generationen von Großstadtmenschen zieht es zur Entsorgung vertrockneter Brotkanten in Gärten und Parks, an Tümpel und Teiche. Beschaulich wirkt das Bild einer Enten fütternden alten Dame, womöglich in Begleitung eines zwischen Furcht und Entzücken schwankenden Vierjährigen.

Nicht Tränen der Rührung, sondern blankes Entsetzen müssen hingegen die Folgen dieses Tuns hervorlocken. Denn wohlernährt von Menschenhand konnte sich die gemeine Stockente in Hamburg wie anderswo ausgiebig vermehren. Mehr als 15.000 Exemplare be- und übervölkern die hansestädtischen Wasserflächen. Insbesondere die Erpel markieren bei dem großem Gedränge gern den wilden Mann, greifen ihre Miterpel an und vergewaltigen deren Weibchen.

Eine Untersuchung des Hamburger Zoologen Heinrich Hoerschelmann ergab, daß die männlichen Exemplare annähernd 70 Prozent des Stockentenbestandes ausmachen und durch ihr übles Mackergehabe dafür sorgen, daß das auch so bleibt. Da nicht für jeden der – außerhalb der City monogam lebenden – Stockerpel ein Weibchen existiert, fallen sie über anderweitig verpaarte Enten her – in derart rüder Weise, daß einige sterben. Und die Überlebenden sind häufig nicht mehr in der Lage, ihre Brut zu versorgen.

Sonst aber, so Hoerschelmann, hätten sich Stockenten dem städtischen Leben gut angepaßt: Sie nisten, wenn's sein muß, auch in Einkaufszentren oder auf Schulhöfen. Und ihren Tagesablauf passen sie den Besucherströmen in „ihren“ Parks an, statt – wie es natürlich wäre – erst in der Dämmerung auf Nahrungssuche zu gehen. Besonders fortschrittliche City-Erpel suchen sich sogar unter ihresgleichen einen Partner, statt die wenigen Weibchen zu schikanieren. Unter Gänsen gar bleiben sich die Ganter ein Leben lang treu.

Sollte das gleichgeschlechtliche Leben auch bei den Stockenten zukünftig mehr Anhänger finden, wäre das Problem der Überpopulation bald gelöst. Als Naturerlebnis wäre das Brotkrumenwerfen – angesichts nur vereinzelter gefiederter Ziele – dann allerdings nur noch wenig reizvoll. Den sportlichen Ehrgeiz der Großstadtkids könnte es jedoch ungemein steigern. Stefanie Winter