Forschung muß bluten

■ Bonner Sparer bedrohen Bremerhavens Fischforscher

Innerhalb der nächsten 14 Tage wird Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU) mit seiner Unterschrift unter ein ministeriales Sparpaket einen Kahlschlag in der deutschen For-schungslandschaft besiegeln. 30 Prozent der rund 450 Millionen Mark seines Forschungsetats will Borchert bei den zehn ernährungs- und agrarwissenschaftlichen Bundesforschungsanstalten (BFA) mit 66 Instituten einsparen. 900 der zur Zeit 3.500 Stellen sollen wegfallen. Unter den potentiellen Opfern des Konzepts, das auch die Auflösung und Zusammenlegung von Standorten vorsieht, ist die Außenstelle der Hamburger Bundesanstalt für Fischerei in Bremerhaven.

Für die Bremerhavener SPD-Bundestagsabgeordnete Ilse Janz ist klar: Das Institut für Seefischerei wird aufgelöst. Janz klagt, auch eine Bundestags-Anhörung, bei der Experten nachdrücklich auf die Bedeutung der Bundesforschungsanstalten hingewiesen hätten, habe den Minister „nicht zum Nachdenken gebracht“.

Nach Auskunft des Hauptpersonalrats der BFAs soll mit den Ein-sparungen am Bestand der Aufbau von neuen Instituten in Ostdeutschland finanziert werden. Das Finanzministerium habe Borchert die gewünschten Investitionsmittel von bis zu 200 Millionen Mark im Jahr auf 85 Millionen zusammengestrichen. Das Bundeskabinett habe Borchert im Februar die 30-Prozent-Kürzung aufgetragen. Nun sei ein „rein fiskalisches Konzept“ entstanden, so Hauptpersonalrat Manfred Stein.

„Noch ist über einzelne Standorte nicht endgültig entschieden“, sagt ein Sprecher des Landwirtschaftsministers. Nach seinen Angaben haben die Experten ein Wunder vollbracht: Inhaltliche Einschnitte werde es trotz der Kürzungen nicht geben, durch die Zusammenlegung von Instituten werde die Forschung effizienter.

Hans-Joachim Rätz, dem Leiter des Instituts für Seefischerei, sind konkrete Schließungspläne nicht bekannt. Die sieben Mitarbeiter des Instituts wissen aber seit Jahren von solchen Bestrebungen, für die es auch durchaus Gründe gebe, wie Rätz einräumt. Die Bremerhavener Wissenschaftler beobachten den Fischmarkt. Sie untersuchen fangfrischen Fisch, den deutsche Trawler bringen, und schließen so auf Entwicklungen der Bestände oder Schadstoffe im Wasser.

Doch die deutschen Anlandungen von Frischfisch in Bremerhaven tendieren gegen Null. Dennoch, glaubt Rätz, sei die wissenschaftliche Kontrolle „immer noch wertvoll“. Er wartet nun auf den neuen Forschungsplan, in dem das Ministerium den Bedarf an neuen wissenschaftlichen Untersuchungen festschreibt. Dieser Plan werde sich allerdings an dem Sparkonzept orientieren, glaubt Rätz.

Dennoch hält der Wissenschaftler den Standort Bremerhaven für „nicht direkt im Schußfeuer“: Hier liegt das Forschungsschiff „Walther Herwig III“, der „Schiffsbetreuer“ sitzt ebenso wie ein Mitarbeiter des Bundesamtes für Seeschiffahrt im selben bundeseigenen Haus wie das Institut.

Die Bremerhavener können sich trösten, daß Borcherts Sparkonzept anderswo tiefere Wunden schlägt: So soll nach Angaben der Personalvertreter die Bundesforschungsanstalt für Kartoffeln, Getreide und Fett in Detmold und Münster mit 200 Arbeitsplätzen komplett aufgelöst werden. jof