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: Die Transrapid- oder Magnetsekte

Alles regt sich über die Scientologen auf, es gibt aber noch viel schlimmere – geradezu scientifischere: Vor einiger Zeit wurde der ehemalige Narva-Betriebsrat Gerald Karg zu einer Konferenz über die Rettung der europäischen Wirtschaft mittels einer Magnetschwebebahn im Dreieck Berlin–Wien–Moskau eingeladen. Vorsichtshalber nahm er mich als Westler mit, denn die Einladung kam von der ihm unbekannten Sekte EAP: der Europäischen Arbeiterpartei, die von Helga Zapp-La Rouche geführt wird. Die Konferenz fand im BCA-Hotel an der Landsberger Allee statt.

Nachdem die US-Organisation EAP die Welt erst mit „Atomenergie“ und „Raketenprogrammen“ und dann mit einem erbarmungslosen „Kampf dem Rauschgift“ verbessern wollte, versuchte sie es nun mit dem Transrapid. Dazu hatte die Ehefrau des CIA-Rechtsabweichlers La Rouche einen ganzen EAP-Braintrust aufgeboten, der auf dem BCA-Kongreß mit Overhead-Projektionen und dicken Papieren seine Idiotenthese untermauerte, wonach Europa zu seinem Glück nichts als nur noch dieses Magnetschwebebahn- Dreieck brauche.

Gerald blieb jedoch skeptisch, ich auch – schon allein als Rauschgiftbefürworter und obwohl man mir später sogar die Mitarbeit im EAP-Magazin anbot. Die Pannen und den gerade erfolgten „qualifizierten Rückbau“ – sprich: Abriß – der Magnetbahn-Versuchsstrecke im Tiergarten fand ich sehr viel witziger als alle EAP-Argumentationen, die wir dann im übrigen noch einmal – antisemitisch angereichert – beim Arbeitskampf der Bischofferoder Kalikumpel vorgesetzt bekamen, wo Helga mehrmals persönlich auftrat. Als sie dort allzu heftig von Gewerkschaftern beschimpft wurde, verlegte sie ihren Transrapid-Wirkungskreis wieder zurück nach Bonn. Und war dort anscheinend erfolgreich, denn der Verkehrsminister und die Vordenker des Kanzlers drückten jetzt immerhin eine norddeutsche Minivariante des Magnetschwebebahn-Dreiecks durch: von Hamburg über Schwerin nach Berlin und zurück – für sechs Milliarden Mark.

Wahrscheinlich ist das halbe Management der Magnetschnellbahn Planungsgesellschaft (MPG) von EAP-Sektenmitgliedern durchsetzt, anders sind die mit dem EAP-Kongreß nahezu identischen Phrasen von dort kaum zu erklären: „Es werden 18.000 Arbeitsplätze geschaffen“, das Perleberger Wartungszentrum wird in der Region einen „Arbeitsmarktschub“ bewirken, „38.000 Passagiere täglich“ werden den Transrapid benutzen und so weiter.

Der Primärnutznießer Siemens hat schon mal seinen für die Verkehrstechnik zuständigen Zentralvorständler nach Berlin verpflanzt. Dieser Martinsen hält das „Prestigeprojekt“ Transrapid selbstredend für eine Top-„Signalwirkung“, was bedeute, daß „die Anwendung von Großtechnologien in Deutschland doch noch möglich ist“. Das Ding würde damit zu einem „Exportschlager“, der vor allem in den USA und bei einem Tempo von 500 Stundenkilometern die „Kurzstreckenflugzeuge ersetzen“ könne.

Von „Signalwirkung“ spricht neuerdings auch der Arbeitssenator Bremens, der dort nun mit seinen sozialdemokratischen Genossen ebenfalls „Großprojekte“ in Angriff nehmen will: Auf den abgewickelten Werften sollen ein „Ocean Park“ für eine Milliarde sowie ein „Space Park“ für 300 Millionen Mark entstehen. Das Konzept für das Raumfahrt-Erlebnis-Center mit Trainingscamp stammt von einer Tochterfirma der Dasa, der Dara, die man damit bereits letztes Jahr auf Drängen des kalifornischen Simon- Wiesenthal-Centers in der V2-„Wiege“ Peenemünde abgewiesen hatte. Dieses Konzept nun ausgerechnet für Bremen noch einmal aufzuwärmen ist derart schwachsinnig – es kann nur von der EAP-Sekte selbst stammen! Helmut Höge

wird fortgesetzt