Schirm & Chiffre
: Auf Schritt und Tritt und Tastendruck

■ Kein Informationsvorteil und kein eigenes Forum, aber dennoch: Auch die Berliner Stadtmagazine sind mittlerweile im Netz

Mit Informationen verhält es sich wie mit Polizisten. Braucht man sie, sind keine da. Die Situation ist bekannt: Ein lauer Abend, und man fragt sich: Wohin? Aber weder Tageszeitung noch Stadtmagazin sind greifbar. Die gesammelten Flyer stecken in der anderen Jacke. Auch die technologischen Lösungen, die an dieser Stelle üblicherweise vorgetragen werden, versagen hier. Wer läuft abends schon mit tragbarem PC und Modem durch die Stadt?

Trotzdem haben die Berliner Stadtmagazine für den Fall der Fälle vorgesorgt, sie alle sind inzwischen im Internet. Der tip (http://www.berlin-tip.de) setzt dort auf die neueste Technologie, sein Design basiert auf Frames, die eine Homepage in beliebig viele Segmente aufteilen. Hier sind es drei, links das Menü, in der Mitte die jeweilige Auswahl an Unterpunkten und rechts kurze Texte, die mit Bildern versehen sind. Unter „Intro“ liegt das Editorial der Printversion, der „Inhalt“ bezieht sich ebenfalls auf dasselbe. Wer also vor dem Kauf des neuen tip gerne wissen möchte, was drinsteht, kann sich im Netz informieren, die Telekom ist dankbar.

Der „Titel“ verweist auf die aktuelle Titelstory des tip, und zwar in voller Länge. Nun interessiert den Surfer unter Umständen weniger die derzeitige Biergartensituation, sondern eher die im „Intro“ angekündigte Reportage über den Stand der Diskussion in puncto Verschlüsselungstechnologien und Vater Staats ungebrochenen Überwachungswillen. Die gibt es aber nur gedruckt zu lesen, und so hat der tip im Netz auch schon seinen Zweck erfüllt, ein kleiner Abstecher zum Kiosk wird unumgänglich. In den Rubriken Musik, Bühne, Kunst und so weiter findet sich schließlich jeweils eine Auswahl kurzer Texte.

Bei der Konkurrenz von zitty (http://www.zitty.de) springen einen gleich extrem häßliche Icons an, sowie der angesichts weltweiter Zugriffe nicht unangebrachte Hinweis, daß es sich hierbei „um ein 14tägiges unabhängiges Stadtmagazin aus Berlin“ handelt. Unter der Rubrik „Premierenkinos“ ist eine Liste aller neuen Filme abgelegt. Einen Mausklick weiter findet sich dazu ein ausführlicher Artikel mit Bild, manchmal gar ein Interview. Die folgende Rubrik bietet für jeden Tag genau einen „Tagestip“, der notorisch Unentschlossenen den Vorteil bietet, ohne Alternative zu sein.

Wirklich interessant wird's in der auf den ersten Blick unscheinbaren Rubrik „Service“. Die „zitty Online Search“ kann mit beliebigen Suchwörtern gefüttert werden. Das Suchwort „Techno“ zum Beispiel fördert eine erstaunliche Anzahl von Texten zutage. Die Suchmaschine erleichtert die Orientierung im Online-Angebot, das unter den Stadtzeitungen übrigens mit Abstand am umfangreichsten ist, beträchtlich.

Eine ähnliche Suchfunktion haben die Kollegen von Ticket (http://www.berlin-ticket.de) gleich auf der Homepage installiert. Zwar gibt es keine Volltextrecherche, der Zugriff auf die gewünschte Information geht trotzdem am schnellsten vonstatten. Hier finden sich auch gleich aktuelle Tips zum Tag. Die Aktualität der Startseite wird bei der Suche mit der Maschine leider nicht mehr erreicht. Läßt man sich zum Beispiel die Einträge der „Party Zone“ für die Woche auswerfen, ist ein Großteil der Veranstaltungen bereits vorbei. Eine Woche ist gezwungenermaßen immer eine Ticket-Woche.

Der Zugriff auf das elektronische [030] war aus unerfindlichen Gründen dagegen nicht möglich. Hier stellt sich ohnehin die Frage, warum man im Netz nach Magazinen sucht, die einen sowieso auf Schritt und Tritt verfolgen. Noch bieten die Online-Angebote der Stadtmagazine also nicht unbedingt ein Mehr an Informationen gegenüber den gedruckten Heften oder gar ein eigenständiges Forum im Netz, auch wenn erste Versuche in diese Richtung unternommen werden „zitty Online“ bietet ein Archiv mit Filmkritiken aus vergangenen Ausgaben und eine relativ große Sammlung interessanter Links an. Mit dem Problem, sich neu erfinden zu müssen, haben allerdings die meisten Printpublikationen auf dem Weg ins Netz zu kämpfen. Eine deutsche Version des amerikanischen HotWired, an der sich Online-Magazine messen lassen müssen, ist noch nicht in Sicht. Ulrich Gutmair