Dunkle Seele in Shorts

■ Erstmals originalgetreu und unzensiert im deutschen Fernsehen: Der wahre "Magnum" mit Tom Selleck. Pilotfilm heute um 22.15 Uhr bei RTL

Anfang 1980 suchte die US- amerikanische Senderkette CBS nach einer Möglichkeit, die vormals für die Kriminalserie „Hawaii 5-0“ errichteten und nach deren Einstellung kurzfristig verwaisten Produktionsstätten weiterhin nutzen zu können. Im Zuge dessen entstand die Idee zu „Magnum“ und damit, wie sich zeigen sollte, zu einem der größten TV-Serienhits überhaupt. Der als Hauptdarsteller auserkorene Tom Selleck war bis dahin nur mäßig erfolgreich gewesen. Desungeachtet lehnte er die Offerte anfangs ab. „Dieser Magnum hätte da weitergemacht, wo Sean Connery als Agent 007 aufgehört hatte, mit einer hawaiischen Kulisse als Dreingabe“, reminiszierte Selleck später im Gespräch mit der Saturday Evening Post. Dieser ursprüngliche Entwurf, der Magnum recht schematisch als virilen Draufgänger skizzierte, stammte von Glen A. Larson. Auf Sellecks Einwände hin erklärte sich Larsons Koproduzent und Hauptautor Donald P. Bellisario bereit, die vorliegende Charakteristik zu modifizieren. Der Protagonist bekam eine gute Portion Selbstironie und sympathische Schwächen zugebilligt; die fiktive Figur erhielt Wesenszüge ihres Darstellers. Eine Namensänderung machte die Absicht deutlich: Der Titelheld hieß fortan nicht mehr Harry, sondern Thomas Magnum und teilte sogar manche Neigungen seines Taufpaten, z.B. die Vorliebe für die Baseballmannschaft „Detroit Tigers“. In Magnums Biographie eingewoben wurde seine Vergangenheit als Vietnamkämpfer; vor diesem Hintergrund ergibt sein mitunter schuljungenhaftes Gehabe ein ganz anderes Bild. Ein Satz aus dem Pilotfilm illustriert diese besondere Note: „Eines Tages, mit 33, bin ich aufgewacht und habe entdeckt, daß ich nie 23 war.“

Die „Magnum“-Bibel, das für die Arbeit der Serienautoren verbindliche Handbuch mit den Lebensdaten und Charakterbeschreibungen der Hauptfiguren, schildert Thomas Sullivan Magnum wie folgt: Er „wurde am 8. August 1944 in Tidewater, Virginia, geboren. Er ist Annapolis-Absolvent des Jahrgangs 1967 und verließ die Marine kurz vor seiner Beförderung zum Lieutenant Commander. In den zehn Jahren seiner Dienstzeit wurde er dreimal in Vietnam eingesetzt, zweimal verwundet und hoch dekoriert, und er arbeitete fünf Jahre beim militärischen Geheimdienst.“

Hierzulande kennt man Thomas Magnum vornehmlich als meist gutgelaunten Luftikus mit knappen Shorts und buntem Hawaiihemd. Doch hinter der fröhlichen Fassade verbirgt sich ein Mann mit Vergangenheit, der physische wie auch seelische Narben mit sich herumträgt und sich sogar zeitweilig einer stationären psychiatrischen Behandlung unterziehen mußte. Nicht nur hat er in Vietnam seine Jugend vergeudet, sondern auch die Liebe seines Lebens zurücklassen müssen, eine Französin, die er vor Ort geheiratet hatte. Solch bedrückenden Erfahrungen zum Trotz konnte sich Magnum eine gewisse Naivität, seine Jungenhaftigkeit und seinen uneingeschränkten Optimismus bewahren. Mit seinen Kriegskameraden T. C. Calvin und Rick Wright ließ er sich nach Ende seiner Dienstzeit auf Hawaii nieder. Von den dreien zog Magnum das beste Los: Er wurde Privatdetektiv und außerdem Sicherheitsbeauftragter des Bestsellerautors Robin Masters. Zu den Gratifikationen dieses Jobs gehören das kostenlose Logis auf dem luxuriösen Anwesen des Schriftstellers und das Vorrecht, nach Belieben über dessen 60.000 Dollar teuren roten Ferrari verfügen zu können.

In der Originalfassung der Serie sind die Vietnamerfahrungen der drei Hauptfiguren Magnum, T. C. und Rick ein zentrales Thema. Die ARD hingegen strahlte einige einschlägige Episoden gar nicht aus, andere wurden durch Synchronisation und/oder Kürzungen entstellt. RTL verspricht nun, die Serie in neuer Bearbeitung, mit sämtlichen Folgen und in der ursprünglichen Reihenfolge, ausstrahlen zu wollen und bezichtigte in diesem Zusammenhang, wie schon im Fall „Miami Vice“, die ARD der Verfälschung. Beide Male ist der Vorwurf vollauf berechtigt. Darüber sollte freilich nicht vergessen werden, daß auch RTL einiges an Schuld auf sich geladen hat – insbesondere mit Sitcoms wie „Eine schrecklich nette Familie“ oder „Der Prinz von Bel Air“ wird gehörig Schindluder getrieben, was Episodenabfolge, Synchronisation und Sendeplätze angeht. Harald Keller