Bald wehrpflichtlos

■ Chirac schafft den Militärdienst ab. Die Opposition protestiert entschieden

Paris (taz) – Das Rendez-vous ist am 1. Januar kommenden Jahres. Es wird eine Woche dauern, den stolzen Namen „staatsbürgerlich“ tragen, für alle ab 1979 geborenen männlichen Franzosen Pflicht sein, und es wird die Militärpflicht ersetzen. Ab dem Jahr 2002 werden auch die Mädchen zum Rendez-vous zitiert. Und wer mag, kann anschließend einen „freiwilligen Dienst“ absolvieren – im humanitären, sozialen oder staatlichen Bereich.

Mit dieser lakonischen Mitteilung schloß Frankreichs Präsident Jacques Chirac am Dienstag abend im französischen Fernsehen die „große nationale Debatte“ ab, die er im vergangenen Februar angekündigt hatte. Doch während die Diskussionen der vergangenen drei Monate hinter verschlossenen Türen verliefen und die französische Öffentlichkeit wenig interessierten, sorgte Chiracs Abschlußmitteilung für erhebliche Unruhe. Während sich Jugendliche, die kurz vor dem Militärdienst stehen, über die neugewonnene Freiheit freuten, kamen aus der Opposition heftige Proteste. Vor allem die Linke, wo die Wehrpflichtigenarmee neben der laizistischen Schule als Stütze der französischen Republik gilt, hält Chiracs Entscheidung für falsch. Von Sozialisten bis zu Kommunisten kommen Bedenken gegen die von Chirac angepeilte Berufsarmee und gegen angeblich daraus resultierende Gefahren für die Demokratie.

Hintergrund für die Einführung einer Berufsarmee, die mit einer Reform des militärisch-industriellen Komplexes einhergeht, ist Chiracs neue Militärdoktrin sowie die Notwendigkeit zu sparen. Was das „staatsbürgerliche Rendez-vous“ kosten wird, und wie es genau ablaufen soll, verriet Chirac nicht. Er erklärte lediglich, es diene dazu, eine Gesundheits- und Ausbildungsbilanz jeder Generation beim Eintritt ins Erwachsenenalter zu ziehen. Zudem solle dabei das Funktionieren der Demokratie und ihrer Institutionen erklärt sowie Hilfestellungen zur beruflichen Eingliederung gegeben werden. Eine militärische Grundausbildung ist bei den einwöchigen Treffen nicht vorgesehen. Dorothea Hahn