Planspiele für Vulkans „worst case“

■ Noch weiß niemand genau, ob und wann die 600 Mio Bürgschaften fällig werden.

Da hatten sich die Beamten des Finanzsenators Ulrich Nölle (CDU) ein bißchen verrechnet. Die 300 Millionen Mark, die Nölle noch vor wenigen Wochen als Hausnummer für Bremens „faule“ Bürgschaften für den bankrotten Vulkan-Verbund angegeben hatte, haben sich mittlerweile fast verdoppelt. 588 Millionen Mark Ausfälle könnten nun auf das Land zukommen und müßten von der landeseigenen Finanzwunderwaffe Hanseatische Industrie-Beteiligungsgesellschaft (HIBEG) gegen Zinsen vorgestreckt werden. Letztlich sollen die Bürgschaften durch Verkauf von Landesvermögen, wie der Wohnungsbaugesellschaften, gedeckt werden.

Der Senat hat in einer Vorlage dargestellt, wie man sich in enger Kooperation mit den Konkursverwaltern die Vorbereitungen zur Akquisition eines privaten Übernehmers für die Werften vorstellt. Bis Mitte Juni sollen die Wirtschaftsprüfer von C & L-Treuarbeit die betriebswirtschaftlichen Konzepte der einzelnen Werften beurteilen. Ein Lenkungsausschuß aus den Konkursverwaltern, den HIBEG-Geschäftsführern sowie eines Rechtsanwalts aus der Sozietät Schackow und Partner soll dann ein Gesamtkonzept entwickeln.

Der Senat hat sich nun auch offiziell von der Vision eines Verbundes der Werften mit STN Atlas Elektronik verabschiedet. Nur noch von „Impulsen“ ist die Rede, die STN Atlas den Werften geben solle. Der Erlös aus einem Verkauf der Elektronik-Tochter solle zu „produktivitätssteigernden Investitionen auf den Werften verwendet werden. Keine Rede ist in dem Papier von der Gründung und Finanzierung einer Vorschaltgesellschaft, mit der Konkursverwalter Jobst Wellensiek neue Aufträge absichern soll.

Neben STN Atlas gibt es noch andere Aktiva in der Konkursmasse: Über den Verkauf der nicht bankrotten Kranbau-Firma Vulkan Kocks wird unter anderem mit der Preussag Noell verhandelt.

Um für neuen Finanz-Transaktionen in Sachen Vulkan gerüstet zu sein, wurden offenbar zwei Briefkastenfirmen gegründet: Die „Zweiundzwanzigste und dreiundzwanzigste COPIA Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH“. Geschäftsführer: Senatsrat Klaus Geertz, Chef der HIBEG.

Ob und wann die fast 600 Millionen Mark Bürgschaften tatsächlich fällig werden, sei noch nicht zu sagen, so Senatssprecher Klaus Sondergeld. Um für den „worst case“ vozubeugen, habe man die Zinskosten von 10 Millionen für 1996 und 30 Millionen für 1997für die von der HIBEG vorzufinanzierenden Bürgschaften in die „Haushaltsverschlechterung eingestellt“.

Bürgermeister Henning Scherf (SPD) tat gestern kund, das Risiko werde um so kleiner, je mehr alte Aufträge auf den Werften termingerecht fertiggestellt und je mehr neue Aufträge eingeworben werden könnten. Wie es hieß, sind die ersten kleineren verbürgten Summen schon an die Banken geflossen, weil der Vulkan mit den Zinsen für einige alte Kredite im Verzug sei und so die gesamte Forderung für den Bürgen fällig werde.

Wieviel die Vulkan-Pleite auch letztlich kosten wird: Ein „wirtschafts- und finanzpolitisches Waterloo“ des Senats sei nun ans Licht gekommen, so der grüne Abgeordnete Ralf Fücks. Der Löwenanteil des Bürgschaftsrisikos habe das Triumvirat aus Nölle, Scherf und Wirtschaftssenator Perschau (CDU) im letzten halben Jahr angehäuft. Der CDU-POlitiker Wolfgang Schrörs meint, niemand könne von der Höhe der Bürgschaften überrascht sein. Sie seien meist einvernehmlich, also mit den Grünen, beschlossen worden. jof