Das Portrait
: Ein Bauernopfer

■ Deve Gowda

Als Deve Gowda 1991 erstmals ins Parlament des Landes gewählt wurde, erhielt er einen Sitz in der hintersten Reihe zugewiesen. Er empfand dies nicht als Beleidigung, denn es entsprach durchaus seinen Prioritäten, und für die jüngste Wahl zu Indiens nationalem Parlament ließ er sich erst gar nicht mehr nominieren.

Bis vor zwei Wochen war Gowda überzeugter Landespolitiker, der sich in Delhi nicht heimisch fühlt. Anderthalb Jahre war Gowda jetzt Chefminister des südlichen Bundeslandes Karnataka. Und jedem Journalisten, der ihn auf seine nationalen Ambitionen ansprach, antwortete er, er werde die Grenzen von Karnataka nie überschreiten.

Die ländliche Herkunft prägt die Persönlichkeit Gowdas bis heute.

Er stammt aus dem nördlichen Reisanbaugebiet Karnatakas, und als Bauingenieur entwarf der heute 63jährige zunächst Bewässerungskanäle, bevor er in der Stadt Hassan zum Bauunternehmer wurde. Seine politische Basis bleibt jedoch auch heute die Bauernschaft, besonders die Vokkaligas, eine der beiden dominanten Kasten des Bundesstaats. Sie wählten ihn immer wieder ins Provinzparlament, und ihre numerische Stärke sicherte ihm auch regelmäßig Ministerposten. Diese haben seinen einfachen Lebensstil, und seine trockene, kurz angebundene Ausdrucksweise nicht verändert. Bedächtigkeit und Arbeitseifer sind bei ihm, so heißt es in Karnataka, gepaart mit dem Unwillen, Arbeit zu delegieren und bei anderen Rat zu suchen. Die Aktenberge in seinem Chefbüro sind berüchtigt.

Den Charakterzug des Pragmatikers wird der als starrköpfig geltende Gowda in den nächsten Wochen besser gebrauchen können als den bäuerlichen Eigensinn. Das verworrene Mandat des indischen Wählers, das keiner Partei auch nur annähernd eine Mehrheit gab, stellt Deve Gowda vor die beinahe unlösbare Aufgabe, aus dreizehn Parteien aller Schattierungen ein Bündnis zu schmieden, das dieses komplexe Land fünf Jahre führen soll. Er muß sich dabei auf eine Partei stützen, die gerade 43 Sitze besitzt. Die großen Brüder, die ihn von außen unterstützen, die Kommunisten und die Kongreßpartei, sind sich spinnefeind und ziehen an beiden Enden des ideologischen Seiles. Die Astrologin, die Gowda kurz nach dem Sturz der Regierung Vajpayee zu sich berief, weigerte sich jedenfalls, die Überlebenschancen des Kabinetts preiszugeben. Bernard Imhasly