Nur Fernseher gibt es nicht

Die Lisu-Lodge in Thailand: Ein Tourismusprojekt, von dem die Bergvölker des Nordens profitieren. Qualität groß, Besucherzahl klein  ■ Von Jens Uwe Parkitny

Der Anblick ist nicht gerade besonders appetitlich: Lao Yue, mit 80 Jahren einer der Ältesten in der Lisu-Siedlung Dton Loong, beugt sich über den Blechnapf und spuckt den vom Kauen der Bethelnuß rotbraun gefärbten Speichel in einem langen Strahl aus. Wenn er spricht, kommen eine Reihe schwarzer Stümpfe zum Vorschein. Stolz erzählt er, daß er in all den Jahren noch keinen Zahn verloren habe, was er auf den Genuß von Bethel zurückführt. Auch sein volles schwarzes Haar, das nur den Hauch eines silbrigen Schimmers aufweist, deutet darauf hin, daß er einen Jungbrunnen entdeckt hat. Das Licht der Welt hat Lao Yue in Birma erblickt. Dahin sind seine aus dem Osten Chinas stammenden Eltern vor fast hundert Jahren ausgewandert. In den Norden Thailands kam er als junger Mann, die Gründung von Dton Loong, das etwa eine Stunde nördlich von Chiang Mai liegt, erlebte er mit. Das Dorf, das 650 zum Bergstamm der Lisu gehörende Einwohner zählt, hat sich auf ein Experiment eingelassen, von dem der Alte viel hält: den Bau einer kleinen Lodge für Touristen.

Das Besucherrefugium liegt eingebettet zwischen Brotfruchtbäumen, auf denen Orchideen blühen, und unterscheidet sich kaum von den übrigen aus Holz gezimmerten Häusern. Im Untergeschoß befinden sich Duschen sowie Sitztoiletten mit Handspülung (das Wasser wird aus Tonkrügen geschöpft). Das Obergeschoß, von außen über eine Treppe zu erreichen, ziert eine Veranda, die in die Baumkrone eingepaßt zu sein scheint. Von einem mit Bambusmatten ausgelegten Vorraum, der Aufenthaltsraum, Informationszentrum und Eßzimmer zugleich ist, sind vier Schlafstätten für maximal acht Gäste zu erreichen. Zwei Matratzen auf einem Bambuspodest, Spiegel, Ventilator, elektrisches Licht, Moskitonetze und Fensterblick ins Grüne sorgen für ein gemütliches Ambiente. Fernseher und Klimaanlage gibt es nicht, sind auch nicht notwendig: Eine kühle Brise, die von den Hängen des Doi-Suthep-Gebirges weht, sorgt für angenehme Temperaturen, und der hautnahe Kontakt mit den Lisu schlägt die Programme der Kabelkanäle um Längen. Etwa 400.000 Baht, umgerechnet rund 16.000 US-Dollar, investierte der in Bangkok ansässige Reiseveranstalter East West Siam in die Lodge, die im Joint-venture mit der Dorfgemeinschaft und dem Engländer John Davis und der Thailänderin Kaikaew Yavichai betrieben wird.

Davis, der das Projekt vor knapp drei Jahren anregte, kommt eigentlich nicht aus der touristischen Ecke: Als Lektor für anthropologische Studien hielt er Vorlesungen an Hochschulen in England und den USA. Mit den Bergstämmen im Norden Thailands befaßte er sich so eingehend, daß er der Faszination erlag und in Chiang Mai Wurzeln schlug. Sein Projekt: ein reglementierter Tourismus – nach dem Prinzip „Qualität hoch, Besucherzahl klein“. „Durch das Interesse der Gäste kann das Selbstwertgefühl der Gemeinschaft gesteigert und die kulturelle Identität gefördert werden“, schrieb Davis in seinem 1989 veröffentlichten Buch „A Trekker's Guide to: The Hill Tribes of Northern Thailand“.

Einen einsichtigen Partner für dieses Vorhaben gewann der Engländer in dem französischen Geschäftsmann Vincent Tabuteau, der den Veranstalter East West Siam in Bangkok leitet. Tabuteau über die Philosophie der Lisu- Lodge: „Was wir versuchen, ist ein neues Verhältnis zu den Stämmen zu schaffen und neue Standards für Reisende zu etablieren.“ Die Lisu- Lodge von Dton Loong sei von Anfang an in das Projekt einbezogen worden.

Im Rückblick – die Lodge empfängt seit knapp zwei Jahren Gäste – erklärt der „Headman“ genannte Dorfchef Gyi Saeyang: „Uns geht es dank der Lodge merklich besser.“ So wurden beispielsweise Arbeitsplätze geschaffen: Die Souvenirproduktion floriert, wobei der Handel mit Silberschmuck, Näharbeiten, Banjos und Puppen nicht nur auf Besucher beschränkt ist, sondern auch mit befreundeten Stämmen erfolgt. Mit den Einnahmen kaufte sich die Dorfgemeinschaft Nähmaschinen und Werkzeuge. Ein Medical Fund wurde eingerichtet, um Bedürftigen Medikamente und ärztliche Behandlung zu bezahlen.

Rund 600 Gäste verzeichnet die Lodge im Jahr, berichtet deren Manager, ein Lisu. Nur zwei ausländische Touristen hätten die Unterkunft bislang als nicht „standesgemäß“ empfunden und es vorgezogen, in einem „richtigen Hotel“ zu nächtigen. Nachzuvollziehen ist diese Ablehnung nicht, denn der Standard der Lodge kann durchaus als „sehr komfortabel“ bezeichnet werden. „Wir sind keine radikalen Ökotouristen, sondern Unternehmer, die auf Gewinnmachen ausgerichtet sind.“ Aber das eine, sprich: Geldverdienen, müsse das andere, nämlich soziale Nachhaltigkeit, nicht unbedingt ausschließen, meinen beide.

Die Lisu-Lodge ist zu buchen bei:

Geoplan Touristik GmbH, Steglitzer Damm 96b, 12169 Berlin, Tel.:

030-79540-21; Fax: 030-79540-25

Oder in Thailand bei:

East West Siam, Bangkok,

Tel.: 0066-2-2566153,

Fax: 0066-2-2566665 und

Footlose Travel in Chiang Mai,

Tel.: 0066-53-279955,

Fax: 0066-53-279954