Der Weg dagegen

■ "Systemstörung Ost" - ein Dokumentarfilm über die ersten DDR-Punks Anfang der achtziger Jahre (So., 23.35 Uhr, ZDF)

Thälmann-Pionieren stand der Seitenscheitel. In der FDJ kam die Poptolle nett. Lange Loden? Manierlich bittschön. Glatze? Was willst du, Jugendfreund, damit demonstrieren? Willst du dich abseits stellen? Bist du gar ein „Schi- Head“ (Erich Mielke)? Sag mir, wo du steht!

Der 15jährige mit dem Spitznamen „Pankow“ sagte nichts und rannte – „aus Wochenendfrust“ – mit einer Schere in den Keller. Er fuhrwerkte damit auf seinem Schädel herum, färbte, was übrig war, bunt ein und bekam vom Vater prompt die Nase gespalten.

Mit „Pankow“ und seiner Clique, den ersten DDR-Punks, beschäftigt sich die Dokumentation „Störung Ost“. Wie alles andere kam auch die Trashkultur mit gehöriger Verspätung nach Ostdeutschland. Dafür verinnerlichten die revolutionären Massen um so schneller, daß Punks nicht eben unter Waschzwang litten, daß sie die Vorgartenpflege verweigerten, DDR-Jugendmode herabwürdigten und sich „dem Arbeitsprozeß entziehen“, indem sie sich „gegenseitig Fingerfrakturen beibrachten“. Als DDR-Rockbands vorzugsweise den sterbenden Schwan mimten, beunruhigten Punks das Jugendtanzpublikum durch heftige Bewegungen. Außerdem forderten sie vom DJ schäbige Musik auf ungestimmten Instrumenten. Und dachten nicht daran, heimlich zu saufen. „So sind unsere Menschen nicht“, befand des werktätigen Volkes Stimme. Neubaublockwarte erzogen die „Penner“ mit Fußtritten. Danach Verabschiedung ins Spital. Mit sozialistischem Gruß: „Euch haben sie wohl zu vergasen vergessen.“

Das wird in Memmingen oder Berlin-Zehlendorf nicht grundsätzlich anders gewesen sein. Doch im Osten verstand der Staatsapparat noch weniger Spaß. Erich Mielke sah „fremde Erscheinungen“, „Dekadenz“ und befahl „Härte“: Einem Punk unterstellten sie, er habe ein Attentat auf Karl-Eduard von Schnitzler geplant. („Dabei fand ich den eher lustig.“) Der Rest war weniger schrill: Verhöre, Denunziationen, Mißtrauen, Gefängnis, Ausreise. „Härte“ eben.

Mittendrin erzählen die Expunks, Pastorentöchter und Filmautorinnen Mechthild Katzorke und Cornelia Schneider, wie sie sich einst dem schulischen Handgranatenweitwurf verweigerten. Prinzip Eppelmann sozusagen. Als später alle Mädchen mit Bällen werfen durften, forderten die beiden für sich das Kriegsspielzeug zurück. Das Prinzip Punk: „Immer erst überlegen, wie der Weg dagegen ist.“

Folgerichtig kommt trotz Stasi, Stasi und noch mal Stasi triefende Oppositionshuberei im Film nicht auf. Darauf einen Pogo außer der Reihe. André Mielke