piwik no script img

Bioholz gegen die Baupleite

Entgegen dem Trend nach unten macht eine Allgäuer Firma mit neuen Hauskonzepten gute Geschäfte  ■ Aus Erkheim Klaus Wittmann

Der Ökomanager des Jahres 1995 lehnt sich auf der Bank vor seinem kleinen Holzhaus im „Jungen Dorf“ zu Erkheim zurück, zwirbelt seinen beeindruckenden Schnurrbart und grinst in die Kamera. „Ja, wirklich. Das Geschäft läuft gut, die Auftragslage ist bestens. Ich habe keinen Grund zur Klage.“ Spricht so ein Bauunternehmer im Jahr 1996? In dem Jahr, in dem alle jammern; in denen Holzmann, Walter, Kunze und wie sie alle heißen am laufenden Band Stellen abbauen?

„Wir sind doch selbst schuld an der ganzen Misere“, setzt Hubert Fritz noch eins drauf. „Wir haben immer gleich gebaut, wir haben schlicht und einfach verschlafen. Wir haben Innovationen nicht gebracht. Es ging uns zu gut, da nehme ich mich selbst gar nicht aus. Wenn es Ihnen zu gut geht, denken Sie einfach nicht an Innovationen.“ Wer würde heute schon noch ein Auto mit der Technik von vor 30 Jahren kaufen? Niemand! Aber Häuser, fährt der Unternehmer fort, „Häuser bauen wir nach wie vor so, wie wir sie schon immer gebaut haben. Wo ist denn das Energiedach, das diesen Namen wirklich verdient?“

Sonderlich beliebt ist Hubert Fritz in der Branche nicht mit solchen Sprüchen. Zumal er alljährlich stattliche Zuwächse verkünden kann. Mit seinen 160 Mitarbeitern erwirtschaftet der Familienbetrieb, der dieses Jahr sein 100jähriges Bestehen feiert, stolze 32 Millionen Mark. Tendenz steigend. „Wir fertigen ausschließlich Holzhäuser, und zwar ökologisch reine Holzhäuser, und wir sind, da mache ich gar kein Hehl daraus, nicht billig. Unsere Qualität hat nun mal ihren Preis, und der wird auch bezahlt.“

Der an sich konservative Unterallgäuer wirkt zwar auf seine Bauunternehmerkollegen wie ein rotes Tuch. Ihn einfach zu ignorieren geht freilich auch nicht mehr. Schließlich hagelt es regelrecht Auszeichnungen für den Baufachmann Hubert Fritz und seine Firma. Das er für den Bereich Mittelstand zum „Ökomanager des Jahres“ gewählt wurde, hat ihn schon „besonders gefreut“. Das seine Firma als erster bayerischer Handwerksbetrieb das Öko-Audit-Siegel der Europäischen Union erhielt, war gerade „noch mal eins drauf“. Angesichts solcher Anerkennung läßt es sich locker argumentieren.

„Die mittelständischen, innovativen Unternehmen sind es, die sich durchsetzen werden, nicht die Großkonzerne“, widerspricht er der Einschätzung der Baufachleute. „Wir müssen angreifen, nicht verteidigen!“ Wenn der Erfolg stimmt, kann man schon mal auf die Pauke hauen. So wie jüngst bei einer Rundfunksendung, als er zusammen mit Renate Schmidt (SPD) und dem Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda (CDU), diskutierte. Unverblümt setzte sich Hubert Fritz da in der Live- Sendung für die Ökosteuer ein, die er lieber Ressourcensteuer nennen möchte. „Die brauchen wir umgehend, da gibt es doch gar keinen Zweifel“, verkündete er und versetzte damit zahlreichen Unternehmerkollegen erneut einen Schlag dahin, wo sie derzeit besonders empfindlich reagieren.

100 Holzhäuser verkauft er im Jahr, und er entwickelt immer neue Ideen. Das „Junge Dorf“ beispielsweise, in das er selbst umgezogen ist. Grundsolide, aber pfiffig gestaltete Holzhäuser stehen da in der Gemeinde Erkheim, kreisförmig, fast wie eine Wagenburg, angeordnet. Durch einen zentralen Dorfplatz, fehlende Zäune, gemeinsame Flächen, wo man sich trifft, ist der Grundstücksbedarf gering. Die Kosten sinken, nicht zuletzt durch standardisierte Bauweise (zwei Grundmodelle). So werden die Häuser auch für Familien erschwinglich, die sich fürs gleiche Geld sonst gerade mal eine Eigentumswohnung leisten könnten. Die zentralen Versorgungseinrichtungen tragen ihren Teil zur Kostenreduzierung bei. „Warum“, sagt Hubert Fritz, „soll ich in jedes Haus einen Heizkessel einbauen, wenn es ein großer Kessel für sechs, sieben Häuser auch tut.“

Sein luxuriöses Nobelholzhaus hat Fritz verkauft und ist kurzerhand mit seiner Frau hinausgezogen an den Ortsrand in sein „Junges Dorf“. Doch der Mann versteht es auch hervorragend, sich und seine Erfolge zu vermarkten. Als er jüngst von Landwirtschaftsminister Bocklet den Ernst-Pelz- Preis verliehen bekam — für die Verwendung nachwachsender Rohstoffe —, da lud er Kunden, Kollegen, Naturschützer und Presse zu einer großen Pflanzaktion in die Allgäuer Berge ein. Das Preisgeld setzte er in 10.000 Bäume um, die zur Schutzwaldaufforstung gepflanzt wurden.

Hubert Fritz ist sich sicher, daß ihm die Ideen so schnell nicht ausgehen. Zusammen mit den Baubiologen von der Holzfachhochschule Rosenheim wird getüftelt, was das Zeug hält. Vor allem der sparsame Energieverbrauch und die Energiegewinnung haben es dem Bauunternehmer angetan, der vor kurzem auch als Mitglied in den Sachverständigenrat einer Enquetekommission des Deutschen Bundestages zum Lebensbereich Bauen und Wohnen berufen wurde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen