■ Schöner Leben: Am Urinal
Historiker hätten ihre Freude gehabt. Auf der Herrentoilette eines Schwarzwälder Dorfgasthofes fand sich vor kurzem ein wunderbarer Kondom-Automat, unter dessen Geld-Einwurfschlitz ein Hinweisschild angebracht war: „Einwurf 2 Mark. Nur West-Geld“. Zur wissenschaftlichen Forschung empfohlen, weil trotz anhaltender Debatten unter einer Abtritt-Nutzergemeinschaft nicht zu klären war, ob es sich bei diesem Fundstück um eine Ossi-Abwehr aus der Zeit vor dem Mauerbau oder nach der Wende handelt.
Ohnehin sind Herrentoiletten durchaus dazu angetan, so manches Menschheits- und vor allem Männerrätsel zu lösen – jenseits naheliegender Probleme aus der weiten Welt der Urologie. Am Urinal beispielsweise ist sowohl der Anthropologe als auch der Dermatologe gefordert. Es geht um den Zusammenhang zwischen Schamhaarausfall und Revierkampf, bzw. Sauberkeitswahn.
Zu beobachten ist nämlich folgendes: Manche Männer (aber eben nicht alle) scheinen unter dem körperlichen Problem zu leiden, daß sie schubweise größerer Teile ihrer Schambehaarung verlustig gehen. Warum? Zu enges Beinkleid, falsche Ernährung, Psyche? Wer weiß es? Bitte melden! Jedenfalls finden sich beim Gang zum Wasserabschlagen immer wieder mehr oder weniger große Mengen gekräuselter Hinterlassenschaften im Urinal; vorzugsweise da, wo die Wasserspülung nicht hinkommt. Was – durch Umfrage abgesichert – zu einem astreinen anthropologisch konstanten Verhalten des Nachfolgenden führt. Wir nennen es das „Zwanghaftes Wegpissen-Syndrom“. Wobei allerdings die Deutungen weit auseinandergehen. Die Anhänger der Revier-These, die den Wolfsinstinkt im Manne in dieser Handlung entdeckt haben wollen, stehen unversöhnlich den Verfechtern der Sauberkeits-These gegenüber. Schließlich wolle das Urinal (jungfräulich?) rein hinterlassen werden.
Fragen über Fragen. Einwandfrei ein Fall für die Bremer Uni. (wird fortgesetzt) Jochen Grabler
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