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■ VorschlagWerner Schwabs „Präsidentinnen“ in den DT-Kammerspielen

Ein wirkliches Trio infernal sind diese drei Weiber nicht. Aber das, was sie sagen, kommt direkt aus der verschissenen Vorhölle der Kleinbürgerlichkeit. Hinterhoffiguren, wie aus einer Karikatur von Deix. Mariedl, gar nicht so debil, wie sie am Anfang scheint, „macht's auch ohne“, professionell und mit Wonne. Nein, nicht das, sondern mit den bloßen Armen in die Tiefen eines Aborts hineingreifen, um Verstopfungen zu beseitigen. Sie träumt von der ultimativen Klo- Ausräumorgie. Erna, eine groteske Pelzmütze vom Müll auf dem Kopf, grämt sich wegen ihres versoffenen, Leberkäs fressenden Sohnes, der den Verkehr und somit die Enkel verweigert. Sie träumt vom späten Aufstieg mit dem Schlachter um die Ecke. Und die fleischige Grete kann es irgendwie schon verstehen, daß sich der Gatte an der gemeinsamen Tochter vergangen hat. Was sie nicht versteht, ist, daß er sie sitzenließ, nachdem die Tochter Reißaus genommen hat. Grete träumt von einem, der was in der Hose hat und ihr schon mal den Finger in den Arsch steckt. Das alles wird am Küchentisch mit Blümchendecke verhandelt.

Drei machtbewußte Präsidentinnen der Bigotterie, die ihren Schöpfer Werner Schwab 1990 mit einem Schlag in die Beletage der zeitgenössischen deutschsprachigen Dramatik katapultierten. Die österreichische Schreibtradition von Nestroy bis Horvath in der pervertiert fäkalen Hardcoreversion – das blieb Schwabs Markenzeichen bis zu seinem frühen Tod vor zwei Jahren. Dazu bekennt sich auch sein Berliner Inszenator Sewan Latchinian. Er läßt die anale Küchenfarce wie eine Milieustudie beginnen, langsam und ohne dem Komödienaffen Zucker zu geben. Wenn die Phantasien der horriblen Spießerinnen jedoch explodieren, geht es auch auf der etwas zeigefingrig mit einem gänzlich unbenutzten Netz bestückten Bühne ab. Bis zum grausigen Finale. Daß die behutsame Steigerung funktioniert, geht vor allem auf das Konto von Carla Hagen (Erna), Ursula Staack (Grete) und Margit Bendokat (Mariedl). Sie lassen sich voll und ganz auf die Menschensuche hinter den deftigen Sentenzen ein. Keine Silbe wird einem vordergründigen Exkrementen- boulevard geopfert. Lachen und Ekel gehen eine Symbiose ein. Widerlich lustig. Gerd Hartmann

Nächste Vorstellung am 5. 6., 19.30 Uhr, Kammerspiele des Deutschen Theaters, Schumannstraße 13a

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