■ Press-Schlag
: Jürgen, werden wir soooo Europameister?

Im Stellungskrieg gegen den omnipräsenten Feind hat Jürgen Klinsmann für einen kleinen, aber unangenehmen Moment den Überblick verloren. Es war ein Freistoß von rechts in Minute sechs, und Laurent Blanc, Frankreichs Abwehrorganisator und Mann für die Situationen nach einem ruhenden Ball, kam in den deutschen Strafraum.

„Ich“, sagte Klinsmann, „war in dem Moment für Blanc zuständig.“ Eigentlich. Allerdings: „Läuft der hinter meinem Rücken weg.“ Blanc, kriegte Keeper Andreas Köpke mit, „war einen Tick schneller“. Und? Nun wieder Klinsmann: „Und macht das Tor.“

Doppelt hart, da es das einzige des Abends war, und sich die DFB-Kicker nun – das Spiel gegen Liechtenstein morgen hin oder her – mit einer richtigen Niederlage gegen einen richtigen Gegner Richtung EM-Aufenthaltsstätte Mottram Hall bewegen. „Sehr, sehr unglücklich“, sei er, sagte Berti Vogts, daß „wir für einen Fehler bei einer Standardsituation bestraft wurden.“ Kein Wort allerdings verlor der Bundestrainer darüber, daß es sein Kapitän gewesen war, der nach jenem des „dumm“ (Ziege) foulenden Ziege den entscheidenden gemacht hatte.

Nach dem verschossenen Elfer in Nordirland ist dies ein zweiter Rückschlag, den Trainer und Kapitän hinnehmen müssen. Es geht da nicht nur um ein Tor mehr oder Gegentor weniger in einem Testspiel. Es geht um die psychologische Einstimmung des deutschen Fußballvolkes auf England. Für jene ist neben der taz insbesondere die Bild-Zeitung zuständig; nicht zu vergessen das Wochenblatt Sport-Bild.

Auch diese beiden Blätter sind in der EM-Vorbereitung. Vogts und Klinsmann helfen ihnen dabei nicht. Deshalb haben sie ihre gute alte Figur namens „Lothar Matthäus“ umdefiniert und lassen sie seit einigen Tagen exklusiv einen bösen Satz gegen das Paar Vogts/Klinsmann nach dem anderen sagen.

Es stimmt: Erstens ist die Matthäus-Geschichte erbärmlich hanebüchen. Zweitens aber ist im Fußball keine Geschichte erbärmlich hanebüchen genug, als daß sie nicht auf fruchtbaren Boden fallen würde, sobald den Angeklagten die Argumente ausgehen. Als Argumente aber werden einzig zugelassen: Tore. Keinesfalls aber: Gegentore.

In der Stunde des Geständnisses zeigte Jürgen Klinsmann (31) sein professionellstes Lächeln, „Es war“, sagte er, „schlechtes Defensiv-Verhalten.“ Gerade solches aber kann er im Moment ganz schlecht gebrauchen. Nicht nur bei Springer scharrt man längst unter den Schreibtischen. Die gerade noch gekippte taz-Schlagzeile von heute: „Jürgen – sollen wir soooo Europameister werden????“ Und just in dieser Sekunde bringt der Bote einen Schrieb der Chefin: Das zärtliche „Klinsi“ ist ab sofort zu vermeiden (geheime Dienstanweisung 23/Z). pu