Peter Graf nicht in Paris

■ Der fast schon zurückgetretene Stefan Edberg überrascht bei den French Open

Paris (taz) – Eine Vision tut sich auf: Peter Graf erhält Freigängerurlaub auf Ehrenwort, um seine in Paris grandios aufspielende Tochter siegen zu sehen. Angesichts solcher Großherzigkeit der Justiz legt er ein umfassendes Geständnis ab und holt einen bereits angegilbten Zettel aus der Zahnpastatube mit den akribisch aufgeschriebenen hinterzogenen Steuermillionen. Nein, Peter Graf kommt weder mit noch ohne Handschellen nach Paris. Damit läßt sich auch eher schlecht in die Hände klatschen.

Dafür reisten aber die Eltern von Gala Leon Garcia extra aus Madrid an, um ihre Tochter ins Achtelfinale einziehen zu sehen. Sie schlossen schweren Herzens ihre Imbißstube, die übrigens „Grand Slam“ heißt. Die 22jährige Spanierin, 108. der Weltrangliste, mußte über drei Qualifikationsrunden gehen, um überhaupt im Hauptfeld der French Open dabei zu sein. Dafür wird sie von den Zuschauern geliebt.

Ebenso wie der Schwede Stefan Edberg, der sich plötzlich „noch einmal wie mit 18, 19 Jahren fühlt“. Der inzwischen 30jährige war von seinem Auftritt gegen den favorisierten US-Amerikaner Michael Chang selbst überwältigt. Vor sieben Jahren besiegte ihn der damals 17jährige Chang im Finale von Roland Garros. Nun konnte sich Edberg, der 1996 seine Abschiedstournee als Tennisprofi gibt, nicht nur revanchieren, sondern Chang zum Statisten degradieren. Auch Bernd Karbacher erreichte das Achtelfinale, aber ist nach wie vor über seine Nichtnominierung für Olympia frustriert. „Da gewinnt man hier und freut sich riesig und dann dieser Schuß vor den Bug, obwohl wir doch sogar drei Plätze hätten“, meint er resigniert. Gewinnt Karbacher heute gegen den bisher souverän aufspielenden Kroaten Goran Ivanisevic, würde Atlanta wieder ein wenig wahrscheinlicher.

Und Michael Stich, der eigentlich gar nicht nach Paris kommen wollte? Der gibt sich weiter zurückhaltend und „ohne Erwartungen“ nach der langen Verletzungspause. Er nutzte die Zeit zur Umstellung seiner Vorhand, was in der Turniertretmühle nicht möglich gewesen wäre. „Der optimale Zeitpunkt“ sei es gewesen, meint Stich, „ich konnte drei Monate nur an einem Schlag arbeiten, weil ich nicht verlieren konnte.“ Für heute rechnet sich Stich durchaus Chancen gegen den bisher kaum geforderten Thomas Muster aus. „Ich zittere schon mächtig“, meinte der österreichische Titelverteidiger lapidar.

Und Steffi Graf siegt weiter ohne ihren Vater auf der Tribüne. Übrigens ihren hier anwesenden designierten Manager Ion Tiriac habe sie in Paris „weder gesprochen noch gesehen“, teilt sie auf Nachfrage mürrisch mit. Karl-Wilhelm Götte