: Wissen, was auf sie zukommt
■ Förderung für Förderverein zur besseren Beratung von Pflege-Eltern Von Patricia Faller
Die gute Nachricht in Zeiten des Sparens: Der Pflegekinder und ihre Familien Förderverein (PFIFF) erhält von Juli an eine neue Stelle, die von der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung finanziert wird. „Mit seinem Konzept rannte PFIFF bei uns offene Türen ein“, erklärt Wolfgang Lerche, beim Amt für Jugend für Grundsatzfragen der erzieherischen Hilfen zuständig.
Denn Eltern haben laut Jugendhilfegesetz einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung. Die zuständigen Ämter für Soziale Dienste in den Bezirken sind angesichts ihrer umfangreichen Aufgaben in der Jugend-, Sozial- und Gesundheitshilfe mit dieser Aufgabe allerdings überfordert.
Diesem Defizit will PFIFF abhelfen. Der Verein betreibt bisher eine Pflegeelternschule, um interessierte Familien vorzubereiten, und vermittelt Bereitschafts-Pflegeeltern, bei denen in Notfällen Kinder kurzfristig untergebracht werden können. Eine neue Stelle bei 1200 Kindern, die in und rund um Hamburg in Pflegefamilien aufwachsen, kann aber nur ein Anfang sein.
Seit den 80er Jahren gibt es in der Hansestadt keine Kinder- und Waisenhäuser im herkömmlichen Sinne mehr. Pflegeeltern und Wohngruppen sind nicht nur pädagogisch sinnvoller, sondern auch weitaus billiger. Kostet eine Pflegestelle die Stadt Hamburg 14.000 Mark, müßten für einen Heimplatz 75.000 Mark ausgegeben werden. Mit rund 18 Millionen Mark finanziert die Stadt jährlich die Unterbringung in Pflegefamilien.
„Pflegeabbrüche sind bei uns selten“, berichtet Sabine Oeltjen, bei PFIFF für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Sie führt dies auf die lange Vorbereitungszeit in der Pflegeelternschule zurück: „Die Eltern müssen wissen, was auf sie zukommt“, um sich nicht blauäugig für das ach so niedliche Kind zu entscheiden. Sie müssen erfahren, daß es einen Unterschied zwischen Pflegekindern und Adoptivkindern gibt. Bei ersteren steht der Aspekt der Rückkehr in die leiblichen Familien im Vordergrund.
Das haben auch Karin und Gerd Schmidt (Namen geändert) erfahren. Immer mal wieder wollte die Mutter des 13 Monate alten Fred ihren Sohn wieder zu sich nehmen, ohne jedoch Perspektiven zu haben. Doch zu dem entscheidenden Gespräch war die obdachlose und alkoholabhängige Frau nicht erschienen. „Ich hatte immer wieder Angst, das Kind hergeben zu müssen“, berichtet Karin Schmidt. Sie hatte sich schnell an Fred gewöhnt. Es erschien befremdlich, wenn seine leibliche Mutter den Kleinen bei Besuchen in die Arme nahm.
„Gefühlsmäßig gibt es keinen Unterschied zwischen den Kindern, auch Fred ist mein Kind“, sagt die 35jährige Pflegemutter. Auch wenn er keine Nacht durchschläft und häufig aggressiv ist – gegen sich selbst, indem er den Kopf gegen die Heizung schlägt, oder gegen andere, indem er alles vom Tisch schmeißt oder besonders kleinere Kinder gerne ärgert. Bei PFIFF habe man ihr geholfen, mit dem Jungen umzugehen.
„Viele Kinder verhalten sich zunächst sehr angepaßt“, erklärt Sabine Oeltjen. Dann kommt meist eine Phase der Auflehnung, wo ausgetestet wird, wieweit die Liebe der Pflegeeltern reicht. Auch beim kleinen Fred wurde Karin Schmidt gesagt, daß das eine Entwicklungsphase ist, in der er seine Wut auf alles überträgt, weil er noch nicht reden kann. Seine Aggressivität richtet sich hauptsächlich gegen die, die er am meisten liebt. „Man muß ja auch sehen, daß man dem Kind nicht nur etwas Gutes tut, indem man es bei sich aufnimmt, das Kind hat ja mit dem Weggang vom ursprünglichen Zuhause erst einmal alles verloren“, eine Einsicht, die Karin Schmidt in der PFIFF-Pflegeelternschule vermittelt wurde.
„Der Beratungsbedarf ist groß“, sagt Sabine Oeltjen. Und wenn die Stadt durch die Pflegeeltern schon so viel Geld sparen kann, dann seien eine ausreichende Finanzierung, Beratung und Begleitung eigentlich nur Minimalforderungen.
Infos: PFIFF, Tel. 291284
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen