Heimpflege mangelhaft vorbereitet

■ Die frühere Sozialsenatorin Ingrid Stahmer vergaß 11,7 Millionen Mark Investitionskosten für Pflegeheime anzumelden. Ihre Nachfolgerin Beate Hübner kündigt Abstriche bei Heimstandards an

Vier Wochen bevor am 1. Juli die Pflegeversicherung auch die Behandlung in Heimen bezahlen wird, zeichnen sich zahlreiche Unzulänglichkeiten und Versäumnisse ab.

So ist die Finanzierung des dringend erforderlichen Umbaus von Pflegeheimen noch nicht gesichert. „Die Investitionsmittel hätten im Landeshaushalt eingeplant werden müssen, doch die Senatsverwaltung für Soziales hat das ignoriert“, sagt Rainer Lachenmayer vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV). Ein Versäumnis, das noch auf das Konto der früheren Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) geht. Ihre Nachfolgerin Beate Hübner (CDU) konnte auf die Schnelle nur eine Million Mark im Nachtragshaushalt bereitstellen. Der Bund kofinanziert weitere vier Millionen Mark.

Angesichts eines Gesamtbedarfs von 58 Millionen Mark ist das jedoch „ein Witz“, wie der bündnisgrüne Abgeordnete Dietmar Volk feststellt. Davon muß das Land Berlin 11,7 Millionen übernehmen, den Rest steuert der Bund bei. Zwar hat der Finanzsenator den Investitionsbedarf inzwischen bestätigt, woher das Geld herkommen soll, ist aber noch unklar. Darüber muß der Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses befinden.

Senatorin Hübner hat bereits Abstriche am Standard der Heime angekündigt. Statt Einzelzimmer mit jeweils eigener Naßzelle einzurichten, könnten sich auch zwei Bewohner ein Bad teilen. Auch Doppelzimmer kämen in Betracht.

DPWV-Mitarbeiter Lachenmayer kritisiert, daß die Altenheime im Ostteil nicht umgebaut werden können. Die Großeinrichtungen mit 150 bis 180 Plätzen sollten in wohnlichere Einheiten mit 120 Betten umgewandelt werden. „Davon ist überhaupt nicht mehr die Rede“, so Lachenmayer.

Auch im Westteil sieht er bei der Umwandlung von Krankenhausbetten für Chroniker in Pflegebetten Probleme: „Die Pflegeversicherung wird als Vehikel genommen, um Krankenhausbetten abzubauen. Dabei sind Krankenhäuser von ihrer baulichen Struktur her am wenigsten geeignet, Pflegewohnheime zu werden.“ Mehrbettzimmer müssen in Einzelzimmer mit Bad umgewandelt werden. Das wird teuer. Kurzsichtigkeit habe gesiegt, beklagt Lachenmayer. „Die Planung hätte schon vor zwei Jahren unter Dach und Fach sein müssen, samt der Finanzierung.“ Ein Versäumnis, das der frühere Gesundheitssenator Peter Luther (CDU) zu verantworten hat.

Eine späte Entscheidung der Bonner Politiker bringt auch den medizinischen Dienst der Krankenkassen (mdk) ins Schleudern. Erst Ende Mai beschloß der Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat, daß Behinderte in stationären Einrichtungen bis zu 500 Mark aus der Pflegeversicherung erhalten sollen. Nun müssen auch sie von Ärzten des mdk begutachtet werden, um die Höhe der Leistung festzulegen.

Insgesamt erwartet der medizinische Dienst der Krankenkassen 35.000 Anträge auf Übernahme der Pflegekosten. Bis Ende April waren 16.687 Personen auf ihre Pflegebedürftigkeit hin untersucht worden, davon waren etwa 80 Prozent in eine der drei Pflegestufen eingruppiert worden. Abgelehnt wurden 4.209 Personen. Sie erfüllten nicht die Kriterien der Pflegeversicherung, die „hohe Hürden“ aufstelle, wie mdk-Sprecher Hendrick Haselmann erläuterte. Ihre Pflege wird weiterhin vom Sozialamt bezahlt.

Rainer Lachenmayer vom DPWV kritisierte dagegen die „restriktive Begutachtungspraxis“ des mdk. Die Patienten seien laut Gutachten „plötzlich viel fitter als vorher“. „Da ist sicher nicht der reale Pflegebedarf festgestellt worden.“

Während die Untersuchung der BewohnerInnen von Seniorenheimen „in diesen Tagen“ abgeschlossen wird, so mdk-Sprecher Haselmann, dürfte es sich bei BewohnerInnen von Krankenwohnheimen und Chronikereinrichtungen „bis in den Juni hineinziehen“. Lediglich die Untersuchung der behinderten Antragsteller werde nicht mehr rechtzeitig zum 1. Juli zu schaffen sein. Dorothee Winden