Kritik der praktischen Kriminalität Von Mathias Bröckers

Unsere Kriminellen sind auch nicht mehr, was sie mal waren. Sinnbildhaft deutlich wurde der Niedergang des Verbrecherhandwerks in Deutschland vor 14 Tagen, als die zwei Erpresser des Aldi-Konzerns schnarchend in ihrem Auto entdeckt wurden; sie schliefen gerade ihren Rausch aus. Da freut sich die Sonderkommission, und der Laie wundert sich. Wie kann man einerseits raffinierte Straftaten aushecken und andererseits so blöd sein?

Nämliches gilt auch für die Reemtsma-Entführer, von der Presse zu superintellektuellen Profis hochgejubelt, aber praktisch so doof wie Eierdiebe: ohne Stimmverzerrer Lösegeld einfordern und dann kein stichfestes Alibi haben, die erpreßten Millionen auf der Szene wie Sauerbier zu waschen versuchen, mit einem unter echten Namen gemieteten Wagen und Geldkoffer in Spanien rumgondeln... Selbst in drittklassigen Krimidrehbüchern geht so was nicht durch, geschweige denn in der Realität. Zwar ist der angebliche Kopf der Bande noch nicht gefaßt, aber nach der kläglichen Performance seiner Spießgesellen wird das nicht mehr lange dauern.

Wenn Straftäter gefaßt und bestraft werden, hebt das abschreckende Beispiel zwar die öffentliche Moral; insofern ist die Dummheit der Kriminellen ja durchaus begrüßenswert. Andererseits hat der starke Anstieg von roher Gewaltkriminalität aber vielleicht auch gerade damit zu tun, daß bei „intelligenten“ Verbrechen nur noch Trottel am Werk sind und sie sich deshalb nicht mehr zu lohnen scheinen. So greift denn auch der kleine Gauner gleich zur Brechstange, statt seine fünf Sinne zusammenzuraffen und einen etwas eleganteren Plan auszuhecken. Daher wäre es für das Klima der Kriminalität, die wir ja nicht einfach abschaffen können und deshalb auch über mögliche Strukturverbesserungen nachzudenken haben, durchaus vorteilhaft gewesen, wenn clevere Witzbolde, wie der Erpresser Dagobert oder die Berliner Tunnelbankräuber, mit ihrer Masche durchgekommen wären.

Was uns blüht, wenn sich im Kriminalwesen statt intelligenter Verbrecher eher die Totschläger durchsetzen, darauf gaben die Aktivitäten der Aum-Sekte in Japan einen grausigen Vorgeschmack. Gegen den Horror, den biologische Kampfstoffe in der Hand von Kriminellen bedeuten, ist die Vorstellung, daß sich jeder Physikstudent anhand der Bibliotheksunterlagen eine Wasserstoffbombe bauen kann, nachgerade läppisch. Die Rezepte für Biobomben, wie sie bei dem U-Bahn-Anschlag in Tokio zum Einsatz kamen, sind noch einfacher und Hunderte von Labors weltweit mittlerweile in der Lage, solche Kampfstoffe herzustellen. Die Zutatenbeschaffung ist kein Problem, die Wirkung dieser Biowaffen aber um so verheerender. Ein paar Kilo davon mit einem kleinen Landwirtschaftsflugzeug über einer Stadt wie Berlin ausgebracht, bedeuten den sicheren Tod der 3,5 Millionen EinwohnerInnen. Polizei und Militär mit ihren Explosivgeschossen wären gegen diesen Angriff ebenso hilflos wie der zivile Katastrophenschutz. Was eine solche Waffe in der Hand eines dumpfen Totschlägers bedeutet, wollen wir uns nicht ausmalen.

So bleibt nur zu hoffen, daß bald mal wieder ein Gangster mit Grips und Samthandschuhen publikumswirksam zum Zuge kommt.