Mal längs, mal quer: Der Teufel sitzt im Streifen

Als die Karmeliter im 13. Jahrhundert zum ersten Mal aus ihren Bergen nach Paris kamen, verursachten sie auf der Stelle einen Skandal: Man schimpfte sie habgierig, scheinheilig und treulos. Sogar Handlanger des Teufels nannte man sie. Und alles nur wegen ihrer Mäntel! Die waren nämlich gestreift, mit breiten weißen und braunen Querbalken. Im Mittelalter waren Streifen Zeichen für Unordnung, Bösartigkeit und jedes erdenkliche Laster. Der Teufel war gestreift, der Henker trug gestreifte Kleider, und das Zebra galt als ein besonders bösartiges Tier. Später, im 18. Jahrhundert, wurden Streifen zum Zeichen der Revolution: Die amerikanische Flagge und die französische Trikolore hatten Streifen. Robespierre trug einen gestreiften Anzug.

In „Des Teufels Tuch. Eine Kulturgeschichte der Streifen und gestreiften Stoffe“ erzählt der Historiker Michel Pastoureau die Geschichte der gestreiften Kleider und die Geschichte der Streifen als Zeichen. Heute gelten Streifen als jugendlich und fröhlich (Kinderkleider sind häufig gestreift) und als hygienisch (Bettwäsche und Badetücher). In den gehobenen Gesellschaftskreisen um 1900 war der gestreifte Anzug für Jungen oder Mädchen die obligatorische elegante Kleidung (im Foto: der junge Charles de Gaulle, dritter von links, mit Brüdern und seiner Schwester in Lille, 1899).Doch gleichzeitig sind sie auch ein Zeichen für Gefahr: Die Schranken an Bahnübergängen sind gestreift und unzählige Verbotsschilder. Die Bedeutung der Streifen hat sich verändert, aber das Verwirrende dabei ist, daß sie nie nur eine Bedeutung hatten. So waren Streifen typisch für Sträflingskleider – zur selben Zeit, als der Nadelstreifenanzug des Geschäftsmannes für besondere Seriosität stand.

„Immer bleibt bei den Streifen etwas übrig, was sich der Errichtung eines Systems widersetzt, das für Durcheinander und Verwirrung sorgt, gewissermaßen Unordnung stiftet. Die Streifen zeigen und verdecken nicht nur, sie sind gleichzeitig Figur und Hintergrund. Für sich allein wird das Gestreifte zur Illusion. Es stört den Blick, scheint zu blinken, sich zu bewegen, zu entfliehen. Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen Struktur und Figur. Zu viele Streifen machen am Ende närrisch.“ Anja Seeliger

Michel Pastoureau: „Des Teufels Tuch. Eine Kulturgeschichte der Streifen und der gestreiften Stoffe“. Campus Verlag Frankfurt, 1995, 141 Seiten, 68 DM