„Wir stehen natürlich zu den Stücken“

■ Muß eine Klassikersteuer her, damit junge Autoren gefördert werden können? Ein Gespräch mit Volkmar Clauß, dem Intendanten des Heidelberger Theaters

taz : Herr Clauß, welches Ziel verfolgen Sie mit den szenischen Lesungen?

Volkmar Clauß: Wir machen das, weil ja zu Recht bemerkt wird, daß zuwenig neue Stücke gespielt werden. Ganz davon abgesehen, woran das tatsächlich liegt – ob die Stücke zu schlecht, die Theater zu faul oder die Dramaturgen zu dämlich sind –, wollen wir ganz einfach nachschauen: Was gibt es tatsächlich, und wie kann man mit Rahmenveranstaltungen in Form von Referaten, Podiumsdiskussionen und Gesprächen darauf eingehen.

Das Heidelberger Theater verpflichtet sich, eines der neuen Stücke in der nächsten Saison zur Uraufführung anzunehmen. Wird es der Preisträger sein?

Nicht unbedingt. Wir stehen natürlich zu den Stücken, die wir gemeinsam mit der Frankfurter Autorenstiftung ausgewählt haben. Aber wir müssen dabei natürlich auch einen Spielraum für den Regisseur lassen, der inszenieren wird.

Tritt man Ihnen zu nahe, wenn man sagt, daß Ihr Konzept in inniger Anlehnung an die gleichnamige Sektion „Stückemarkt“ des Berliner Theatertreffens entstanden ist?

Ganz und gar nicht. Ich würde sogar noch ein Stück weitergehen und sagen, daß es im deutschsprachigen Raum mehrere Parallelunternehmungen gibt. Zum Beispiel die Biennale ausländischer Stücke in Bonn, die Autorentage in Hannover und die Mülheimer Theatertage. Es würde allerdings nicht schaden, wenn noch viele Theater etwas Ähnliches veranstalten würden. Mut machen ist ungeheuer wichtig, wenn man sieht, wie viele Jungautoren zum Fernsehen abwandern.

„Peanuts oder im Zweitberuf Autor“ lautet ein Podiumsthema. Da gehen die Meinungen auseinander. Gundi Ellert etwa, Autorin und Schauspielerin, meint, den Autoren gehe es extrem schlecht. Als Lösung schlägt Sie eine Klassikersteuer für Theater vor. Andere sagen, Autoren würden immer wieder rituell wehklagen. Was meinen Sie?

Die Autoren haben recht. Was sie an Tantiemen für die Aufführung ihrer Stücke bekommen, ist so wenig, daß es eine Sau graust.

Ist es nicht eine irrige Annahme, sie müßten von den Stücken leben können?

Das ist richtig, aber das Entgelt geht zum Teil unter das Niveau von Taschengeld. Gundi Ellerts Forderung nach einer Klassikersteuer – oder wie immer man das auch nennen mag – ist durchaus sinnvoll, wenn man bedenkt, daß Klassikeraufführungen keine Tantiemen kosten. Das Theater, das nur Klassiker in den Spielplan nimmt, spart also am meisten Geld und wird dafür belohnt, nicht mutig zu sein. Eine explizite Position für neue Stücke dagegen gibt es nicht in den Theaterhaushalten. Wir müßten durchsetzen, daß solch ein Posten zugunsten der Förderung junger Autoren Pflicht wird. Interview: Jürgen Berger