: Oranje ist die Farbe der Saison
■ In Holland ist die Euphorie grenzenlos: Schuhe, Jacken, Hosen und Kondome in Orange. Eine Versicherung bietet Topkonditionen bei einem Sieg der Oranje-Elf
Die Idee klingt nicht schlecht. Wer sich während der EM bei der Versicherung „Nationale Nederlanden“, dem Hauptsponsor der niederländischen Nationalmannschaft, Geld borgt, kann mit einem Bonus rechnen. Der ist allerdings davon abhängig, wie das Oranje- Team abschneidet. Mindestens 25 Prozent sind drin, bei einem EM- Sieg der Niederlande sogar 50 Prozent. Wer sich jetzt also 30.000 Gulden leiht, kann 658 Gulden Zinsen sparen, wenn die Oranje- Fußballer ihren Teil zum Deal beitragen.
Die Euphorie kennt keine Grenzen. 8.000 NiederländerInnen werden bei jedem Spiel ihrer Mannschaft über den Kanal schippern. Die Souvenierindustrie läuft auf Hochtouren, die am Nationalfeiertag, dem 30. April, leergekauften Regale sind längst wieder aufgefüllt: Es gibt jetzt unter anderem Oranje-Kondome.
Hollands Kronprinz Willem- Alexander ist bei jedem Fußballgroßereignis dabei und hat seine Eintrittskarten und Flugtickets schon lange in der Tasche. Lex Muller, Sportchef beim Fernsehsender RTL 4, wird jedoch mit der Fähre auf die Insel fahren müssen. Der Mann steht seit der letzten WM auf der schwarzen Liste der Fluggesellschaften. Als er sich auf dem Rückflug aus den Vereinigten Staaten über eine Stewardeß geärgert hatte, erzählte er ihr, er hätte eine Bombe im Handgepäck. Die Crew ordnete eine Notlandung an.
„Oranje ist in Holland die Farbe der Saison“, schrieb eine deutsche Wochenzeitung auf ihrer Modeseite. Angefangen habe alles mit den Jacken der Müllmänner. Später wurde immer mehr orange gefärbt: die Westen der Straßenbauarbeiter, Rettungsinseln, Schwimmwesten, Hammergriffe, Autoblinker, neuerdings auch Fahrkartenautomaten, Rolltreppen, und zu guter Letzt auch Schuhe, Kleider und Hosen.
Für die Niederlande ist das nichts Neues: Im 15. Jahrhundert, so die Pressestelle des Königshauses, kam die Farbe mit den aus dem französischen Landstrich „Orange“ stammenden Adligen in die Niederlande. In diesem Jahr ist Oranje allerdings „schwärzer als je zuvor“, wie es die Fachzeitschrift Voetbal Nederland ausdrückt: Erstmals in der Geschichte der Nationalmannschaft wirbeln in der Stammelf mehr schwarze als weiße Kicker.
Ob die Rechnung der „Nationale Nederlanden“ aufgeht, ist unsicher. Sony hat sich mit einer ähnlichen Idee jedenfalls verspekuliert. Man wollte das Europacupfinale zwischen Ajax und Juventus Turin nutzen, um einen Ladenhüter loszuschlagen, und bot die teuren Breitbildfernseher verbilligt an. Besonderer Anreiz: Sollte Ajax verlieren, würde man die Geräte wieder zurücknehmen. Genau das geschah dann auch. Falk Madeja, Amsterdam
Gemeinsam nach Wembley, lautete am 24.4 der Slogan. Auf Zehntausenden von Fähnchen rief beim EM-Testspiel gegen Deutschland „Dutchy“, Hollands Maskottchen, zur Verbrüderung der traditionell feindseligen Fans auf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen