Eine Liste mit öffentlichen Toiletten, für alle Fälle

■ Ein Reiseführer für EM-Schlachtenbummler gibt Hinweise, was außer sinnlosem Betrinken Fußballanhänger zwischen den Spielen noch so mit sich anfangen können

„Pissen auf der Straße wird von den Bürgern mit Mißfallen registriert, möglicherweise sogar als Provokation aufgefaßt.“ Ja, so sind die Menschen in Manchester, wo die Auswahl des DFB ihre Gruppenspiele auszutragen hat. Und deshalb hat „Das Euro-Fanzine“, eine Art Reiseführer für deutsche EM-Schlachtenbummler, für alle Fälle die öffentlichen Toiletten der Stadt aufgelistet.

Allerdings enthält die 50seitige Broschüre, herausgegeben von den deutschen Fanprojekten und der englischen Football Supporters Association, überwiegend gehaltvollere Hinweise. „Das Euro- Fanzine“ ist vor allen Dingen hilfreich für jene Anhänger, die sich vor Ort eine Unterkunft suchen wollen und womöglich vorher noch nie in England gewesen sind. Wer darüber hinaus nicht weiß, wie er die Zeit zwischen den Spielen verbringen soll, findet hier zahlreiche Anregungen. So empfiehlt die Broschüre etwa den „Megastore“ von Manchester United, des weiteren das Museum des Klubs sowie die in der Nähe des Stadions gelegene Kricket-Arena. Als Dreingabe bekommen die Leser fußballhistorisches Wissen serviert; man erfährt zum Beispiel die höchste Zuschauerzahl, die je bei einem Ligaspiel in England erreicht wurde (70.504 bei Manchester United gegen Aston Villa im Dezember 1920). Ähnliche Informationen gibt „Das Euro-Fanzine“ über Liverpool und London, wo das DFB-Team günstigstenfalls auch spielen darf.

Der interessanteste Teil dieses Führers handelt die deutschen Gruppengegner ab, wobei die derzeit reichlich in die Welt hinausposaunten Analysen über die Spielstärke der Mannschaften keinen Platz finden. Vielmehr stellt „Das Euro-Fanzine“ aus Supporter- Sicht kurz die Fußball- und Fankultur in den jeweiligen Ländern dar. Was ist so reizvoll am Stadion von Spartak Moskau? Wer, verdammt, ist der FC Petra? Was kosten Vereinswimpel in Tschechien?

So etwas liest man gern, und deshalb lassen sich auch nichtssagende Überschriften verschmerzen („Rußland hat viele Gesichter“) oder groteske Stilblüten („Ich glaube, kein anderer Club verkörpert so wie Viktoria Zizkov ... den Klimax, wo in 90 Minuten Arbeiter und Bessergestellte zu einem verschmelzen“). Stößt man indes auf nicht einmal mehr kindlich zu nennenden Unfug, dem zufolge „politische Individuen ... in keiner Sportart der Welt etwas zu suchen“ hätten, fragt man sich, ob der Redigieronkel geschlafen hat.

Die Titelseite ist ebenfalls eine Plage: links oben die Farben des deutschen Lappens, etwas weiter unten der Untertitel der Broschüre. Richtet sich „Das Euro- Fanzine“ etwa an jene nicht so netten Zeitgenossen, die sich in erster Linie als Deutsche verstehen und erst in zweiter Linie als Fußballfans? Fragt sich nur, was die mit den vielen guten Tips anfangen sollen – falls sie sich überhaupt welche geben lassen. René Martens

„Das Euro-Fanzine“ ist erhältlich bei der Koordinationsstelle der Fanprojekte, Otto-Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt, bei den verschiedenen Fanprojekten in Deutschland und während der EM in der „Football Embassy“ in Manchester (Brazenose Street)