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Wohlfahrtspartei vorn

Schwere Schlappe für Partei des rechten Weges bei den türkischen Kommunalwahlen  ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren

Noch eine Niederlage für die türkische Ex-Ministerpräsidentin Tansu Çiller: Bei den in Teilen der Türkei durchgeführten Kommunalwahlen erteilten die Wähler ihrer Partei des rechten Weges am Sonntag eine Abfuhr. Den Sieg trug die islamistische Wohlfahrtspartei davon. Çillers Partei sackte in den Bezirken, in denen gewählt wurde, durchschnittlich auf 11,9 Prozent. Bei den Parlamentswahlen vor fünf Monaten hatte sie es auf 15,6 gebracht.

Der Niedergang der Partei ist die Quittung der Wähler für Çillers Weigerung, Rechenschaft über Bestechungs- und Korruptionsaffären abzulegen. Statt auf die Vorwürfe einzugehen, beschuldigte Çiller die anderen Parteien, ein „Komplott“ gegen sie zu führen. Çiller verglich sich gar mit Ayșe, der Ehefrau des Propheten Muhammad. Auch sie sei zu Lebzeiten mit Dreck beworfen worden.

Von den 450.000 Wählern votierten 33,5 Prozent für die Wohlfahrtspartei unter Necmettin Erbakan, die als stärkste Partei aus der Wahl hervorging. In den entsprechenden Wahlbezirken hatte die Wohlfahrtspartei bei den Nationalwahlen 30,6 Prozent der Stimmen erhalten. Die Mutterlandspartei von Ministerpräsident Mesut Yilmaz kam auf 21 Prozent. Die beiden sozialdemokratischen Parteien sackten unter die zehn Prozent, die bei Nationalwahlen als Hürde für den Einzug in das Parlament gelten.

Die Wahlergebnisse werden in den künftigen Tagen eine zentrale Rolle für die Zukunft der Koalitionsregierung spielen. Der Vorsitzende der Wohlfahrtspartei, Erbakan, forderte nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses erneut Ministerpräsident Yilmaz zum Rücktritt auf. Die etablierten Parteien ähnelten „Giftkonserven“, die die Bevölkerung nicht kaufen wolle, erklärte er.

Bis gestern abend war noch unklar, ob das türkische Parlament einen Mißtrauensantrag der Wohlfahrtspartei gegen die Regierung auf die Tagesordnung setzt. Çiller, die die Koalition beenden will, hat bereits angekündigt, den Antrag zu unterstützen. Ministerpräsident Yilmaz forderte sie gestern auf, diese Entscheidung zu überdenken. Auch innerparteiliche Opponenten werden Çiller dann das Leben schwermachen. „Çiller muß weg. Sie ist vom Volk verurteilt worden“, sagte der Abgeordnete Cavit Caglar von der Partei des rechten Weges über die Parteivorsitzende.

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