: „Laut Grundgesetz ist Bayern das untersagt“
■ Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) zum Streit um bayerischen § 218
taz: Herr Schmidt-Jortzig, wenn es um die Justiz geht, scheinen die Bayern Alleingänge zu lieben. Per Gesetz will das Land nun Frauen dazu zwingen, die Gründe für ihren Schwangerschaftsabbruch zu nennen. Sowohl im Urteil des Bundesverfassungsgerichts als auch im entsprechenden Bundesgesetz heißt es aber: Die Gesprächsbereitschaft der Frau kann in einer Beratung nicht erzwungen werden. Was halten Sie von diesem Vorhaben?
Edzard Schmidt-Jortzig: Überhaupt nichts. Auf diese Weise versucht Bayern einen Zwang, wenn auch einen mittelbaren, einzuführen, den das Schwangerschaftskonfliktgesetz des Bundes nicht vorsieht. Denn es wird gesagt, wenn eine Frau sich nicht zu den Gründen ihrer Abtreibung äußert, erhält sie keine Beratungsbescheinigung, und ohne Bescheinigung findet sie keinen Arzt, der die Abtreibung durchführt.
Bayern bricht damit also Bundesrecht?
Ja, genau. Bayern verstößt gegen das Bundesgesetz. Laut Grundgesetz ist ihnen das aber untersagt. Im Bereich der sogenannten konkurrierenden Gesetzgebung, zu der auch das Abtreibungsrecht zählt, dürfen Länder nur tätig werden, soweit es der Bund noch nicht getan hat. Wenn der Bundesgesetzgeber eine Materie geregelt hat, dann muß sich ein Land an diese Vorgaben halten – egal, ob es ihm paßt oder nicht. Und wenn es ihm nicht paßt, dann kann das Land eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht anstreben, um das Gesetz auf diesem Weg aus der Welt zu schaffen. Das tun die Bayern aber nicht. Sie schieben dem Bund den Schwarzen Peter zu.
Das ist die juristische Ebene. Auf der anderen Seite gibt es aber noch die politische.
Ja. Man kann vom Schwangerschaftskonfliktberatungsgesetz des Bundes halten, was man will. Den einen wird es nicht weit genug gehen, den anderen geht es zu weit. Mit diesem Gesetz wurde auf jeden Fall ein Kompromiß gefunden, der die beiden strittigsten Fragen zusammenbringt: auf der einen Seite die Schutzpflicht des Staates für das ungeborene Leben, auf der anderen Seite das Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Frau. Das ist ein Kompromiß, der einen mehr als zwanzigjährigen Streit beendet hat und den wir uns politisch jetzt nicht mehr kaputtmachen lassen können. Ansonsten würden wir um Jahre zurückgeworfen.
Schon in der kommenden Woche, am 11. Juni, sollen die bayerischen Sondergesetze nun in erster Lesung den Landtag passieren. Wollen Sie nicht intervenieren?
Das können wir nicht. Erst wenn das Kind wirklich im Brunnen liegt, wenn Bayern das Gesetz also tatsächlich verkündet, haben wir eine rechtliche Handhabe.
Was werden Sie dann tun?
Dann wird das notwendige Drittel aller Mitglieder des Bundestages eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht anstrengen. Daran habe ich keinen Zweifel.
Ihre Kabinettskollegin Frau Nolte versteht die ganze Aufregung um das bayerische Gesetzesvorhaben nicht und hält es für gerechtfertigt.
Das will ich nicht kommentieren, denn Frau Nolte bezieht sich in ihrer Argumentation nicht auf juristische Fragen. Damit läßt sie sich auf die Ebene ein, die Bayern versucht vorzugeben, indem dortige Politiker sagen: Unsere Regelung ist die bessere. Bloß darauf kommt es überhaupt nicht an. Der Bund hat das Abtreibungsrecht nun mal anders geregelt. Also ist eine andere Regelung durch ein Bundesland, auch wenn sie noch so toll ist, nicht mehr machbar. Interview: Karin Flothmann
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