Machtwechsel bei Niedersachsens Grünen

■ Die linke Vorsitzende der Bündnisgrünen, Andrea Hoops, wurde abgewählt und durch Erwin Jordan ersetzt. Werden die Grünen eine „Partei der Beliebigkeit“?

Hannover (taz) – In einer Kampfabstimmung haben die niedersächsischen Landtagsgrünen gestern den Abgeordneten Erwin „Pico“ Jordan zu ihrem neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt.

Jordan setzte sich mit acht zu fünf Stimmen gegen die bisherige Vorsitzende Andrea Hoops durch, die sich dem linken Parteiflügel zurechnet und die Landtagsfraktion zwei Jahre lang geführt hatte. In den Vorstandswahlen, vor denen sich beide Seiten öffentlich Strategiepapiere um die Ohren gehauen hatten, wurden die bisherigen Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Rebecca Harms und Michel Golibrzuch in ihren Ämtern bestätigt. Nach ihrer Abwahl sprach die bisherige Fraktionsvorsitzende Hoops von einer „Richtungsentscheidung“ und einem „Durchmarsch des rechten Flügels“, der jetzt den gesamten dreiköpfigen Fraktionsvorstand stelle.

Demgegenüber nannte Jordan „wachsende Unzufriedenheit mit der Arbeit“ seiner Amtsvorgängerin als Grund für den Wechsel im Fraktionsvorsitz. Jordan versprach, für klare Konturen der Bündnisgrünen im Landtag zu sorgen und will auf den Politikfeldern „soziale Gerechtigkeit, Umbau des Steuersystems und in der Bildungspolitik“ nunmehr „klare finanzierbare Alternativen zur niedersächsischen SPD-Alleinregierung entwickeln“. Nach Ansicht von Andrea Hoops wollen „die Rechten in der Landtagsfraktion schon im Vorfeld die Meßlatte für eine erneute Regierungsbeteiligung der niedersächsischen Grünen möglichst niedrig hängen“.

So werde aus den Bündnisgrünen eine Partei der Beliebigkeit, die immer hinterherrücke, wenn die SPD sich nach rechts bewege. Die Parteirechten wollten die Bündnisgrünen auf die Rolle einer Mehrheitsbeschafferin reduzieren. „Wir brauchen vorwärts weisende Reformvorschläge“, sagte Hoops, doch die Rechten würden den Erfolg der Bündnisgrünen nicht mehr am ökologisch-sozialen Umbau der Gesellschaft, sondern an der Abdämpfung des ökologisch-sozialen Abbaus messen. Die Parteirechte würde die Standortdebatte in Deutschland nutzen, um die grüne Programmatik grundlegend zu revidieren. Eine Neuauflage einer rot-grünen Koalition in Niedersachsen streben beide Flügel der Landtagsgrünen an. Eine rot- grüne Koalition nach der Niedersachsenwahl 1998 müsse zum Auftaktbündnis für einen Machtwechsel in Bonn werden, sagte der neue Fraktionsvorsitzende Jordan gestern. Den potentiellen Koalitionspartner Gerhard Schröder nannte er „das Flagschiff der SPD-Rechten“. Einem rechten Lager bei den Bündnisgrünen gehöre er keineswegs an, verwahrte sich Jordan. Es gehe jetzt auch nicht darum, Meßlatten niedriger zu hängen, sondern Maßstäbe für eine Regierungsbeteiligung zu definieren. Jürgen Voges