■ Kommentar: Wahllose Wahl
Die Mitglieder des HSV haben gewählt, obwohl sie keine Wahl hatten. Mit der Pistole auf der Brust war die Bewegungsfreiheit so eingeschränkt, daß nichts anderes möglich war, als der vom Präsidium vorgegebenen Route zu folgen. Die über 90prozentige Zustimmung ist, da es keine Alternative gab, kein uneingeschränkter Vertrauensbeweis.
Nach der Devise „Friß oder stirb'“ hatten Seeler & Co. das Vereinsvolk unter Druck gesetzt, um ihre Ziele durchzusetzen. Das hatte die Führung schon einmal versucht. Im vergangenen Herbst sollte so das damalige Präsidium hinweggefegt und eine en-bloc-Wahl des Aufsichtsrats durchgepaukt werden. Der damalige Satzungs-Entwurf wurde dem Seeler-Team um die Ohren gehauen, anschließend der „Schrott“ wieder eingesammelt.
Seither haben die HSV-Oberen ihre Ansichten nicht grundlegend geändert, obwohl sie inzwischen ihre „Fehler“ einräumen. Sie gehen nur taktisch klüger vor. Als „Modernisierung“ werden die neuen Statuten gepriesen, die nur Vorteile hätten: Man müsse sich vor dem Aufsichtsrat nicht fürchten, die Veränderungen dienten „nur dem Wohle des Vereins“. Das sind beruhigende Worte, die ankommen, zumal aus Uns Uwes Munde, dem Heilsbringer, der den HSV in den gelobten UEFA-Cup geführt hat.
Sie sind aber auch das Zuckerbrot, dem die Peitsche folgen wird. Die neue Satzung ist in Kraft, der Aufsichtsrat kann kommen. Sollte sich Widerstand gegen einzelne Kandidaten regen, heißt es wieder „entweder ganz oder gar nicht“. Auch diese Drohung läßt keine freie Wahl.
Clemens Gerlach
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