: Pohlmann und die Hühnermilbe
Prozeßauftakt gegen den Hühnerbaron Pohlmann und seinen Sohn. Verbotenes Nikotin eingesetzt, weil es nichts Besseres gebe ■ Aus Oldenburg Dirk Asendorpf
Anton Pohlmann, einst Herr über zehn Millionen deutsche Käfighühner, ist nichts als ein Opfer widriger Verhältnisse. Vor dem Oldenburger Landgericht gab er gestern am ersten Verhandlungstag zwar unumwunden zu, den illegalen Einsatz von Nikotin als Desinfektionsmittel in seinen Ställen angeordnet zu haben. Dies habe er jedoch nur getan, „weil die zugelassenen Mittel gegen Milbenbefall nur sehr schlecht oder viel zu kurz“ wirken. Nikotin als einziges effektives Mittel habe der Gesetzgeber aber verboten. „Da läßt man uns als Hühnerhalter ganz alleine“, beklagte sich der Hühnerbaron vor Gericht.
Die Desinfektion mit der chemischen Keule sei nicht etwa Tierquälerei – wie die Staatsanwaltschaft ihm vorwirft –, sondern, ganz im Gegenteil, eine Hilfe für die Hühner. „Die leiden richtig, wenn sie von den Parasiten nicht befreit werden“, versicherte Pohlmann mit unbewegtem Gesicht. Nicht etwa die Massentierhaltung in qualvoll engen und nur künstlich belüfteten und beleuchteten Ställen, sondern „eine Veränderung der Verbrauchergewohnheiten“ sei schuld daran, daß die Milben in den vergangenen Jahren in seinen Betrieben dermaßen überhandgenommen haben. „Heute werden braune Eier verlangt. Aber braune Hühner haben mehr Blut. Deshalb haben die blutsaugenden Milben so zugenommen“, versuchte Pohlmann das Gericht zu belehren.
Dies allerdings mit wenig Erfolg. Das Oldenburger Landgericht hatte alle 32 Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft zur Verhandlung zugelassen. Neben Tierquälerei gehören dazu auch Verstöße gegen das Lebensmittel- und Arzneimittelrecht sowie gefährliche Körperverletzung und unterlassene Hilfeleistung. Sechs Wochen hat der Hühnerbaron deshalb Anfang des Jahres schon selber hinter Gittern verbracht; erst gegen Zahlung von fünf Millionen Mark Kaution war er wieder freigekommen.
Vor Gericht zeigte sich gestern deutlich eine Rollenteilung: Vater Pohlmann gesteht alle Vorwürfe, die sich nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und zahlreichen Zeugenaussagen sowieso nicht mehr bestreiten lassen, und sein Sohn hat von allem nichts gewußt. Er wird nämlich noch gebraucht. Während Pohlmann sein norddeutsches Hühnerimperium am Tag seiner ersten Verhaftung an die Frühstücksei GmbH verkauft hat, setzte er seinen Sohn Stefan als Inhaber der acht Pohlmann-Betriebe in Bayern ein. Die süddeutschen Legebatterien sind das letzte deutsche Standbein des Eierkonzerns, der in die USA expandierte. „Mit der Praxis hatte ich nie etwas zu tun“, versicherte Stefan Pohlmann gestern dem staunenden Gericht. Schließlich war er bereits 1994 in den väterlichen Betrieb eingestiegen und zuständig für „An- und Verkauf“. Über „erlaubte und nicht erlaubte Stoffe“ habe er aber „nie nachgedacht“. In der Familie gelte der 28jährige Stefan als „Nesthäkchen mit zwei linken Händen“, erklärte sein Vater. Die fast 100 Tonnen Nikotin, die zwischen 1993 und 1995 in den Pohlmann-Ställen versprüht worden sind, habe er stets „persönlich telefonisch bestellt“, sagte Anton Pohlmann. Und auch das Entfernen der Etiketten mit der Giftwarnung von den Fässern habe er persönlich „angeordnet“. Sein Sohn habe von dem illegalen Einsatz des Desinfektionsmittels erst im März 1995 erfahren.
Damals war der Arbeiter Fikret Özdemir auf einer der Pohlmann- Farmen zusammengebrochen, nachdem er ein Nikotin-Wasser- Gemisch mit einer Druckspritze im Hühnerstall verteilt hatte. Vater und Sohn Pohlmann waren herbeigerufen worden und berieten über eine Stunde lang, ob sie den dauernd erbrechenden und mit Gift durchnäßten Arbeiter ins Krankenhaus bringen sollten. Als der Sohn dies schließlich tat, habe ihm sein Vater geraten: „Sag nicht, daß er mit Nikotin gespritzt hat, das könnte gefährlich für uns werden, denn das ist verboten.“ Tatsächlich mußten die Ärzte im Krankenhaus noch eine weitere Stunde über die Ursache der Verätzungen und der lebensgefährlichen Atemnot ihres Patienten rätseln, bis Stefan Pohlmann den Nikotineinsatz schließlich auf telefonische Nachfrage gestand. Özdemir tritt in dem Oldenburger Prozeß als Nebenkläger auf und erwartet ein Schmerzensgeld.
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