12 Milliarden in 59 Sekunden

■ Bei Ariane5 platzte das Jungfernhäutchen

Mit einem kräftigen Knall und anschließendem furiosem, herrlichem Feuerwerk hat gestern das europäische Raumfahrtkonsortium Arianespace nach nur 59 Sekunden seine internationale Führungsposition im Satellitengeschäft erst einmal eingebüßt.

Immerhin mit Stil: Wer läßt sich ein solches Schauspiel schon zehn Jahre Ingenieurseinsatz und 12 Milliarden Mark Entwicklungsinvestitionen kosten? Und dann passierte der große Knall ausgerechnet beim Jungfernflug der neuen Superrakete Ariane5, dem verheißungsvoll schillernden Orbitalspielzeug fürs nächste Jahrtausend.

Schneller, höher, weiter. Teurer natürlich auch. Und irgendwie schöner, technisch raffinierter. Das war Ariane5, die noch mehr Nutzlast noch schneller und vor allem sicherer in die Erdumlaufbahn transportieren sollte. Der kommerzielle und technische Erfolg des größten Phallus Europas stand schon längst fest und war gefeiert worden, bevor die neue Trägerrakete auch nur probeweise auf die Startrampe gehievt worden war.

Die Zuverlässigkeit war exakt beziffert worden. Bei 98,5 Prozent aller Starts, so die Berechnungen, würden die Satelliten so sicher auf ihre geostationäre Umlaufbahn gesetzt, als ob wir sie selbst dorthin bringen. Bei zwei Starts im Jahr hieße das: ein Unfall alle 50 Jahre. Dazu können wir nur sagen: Kinder, wie die Zeit vergeht!

Immerhin: Der große Knall vom sogenannten Weltraumbahnhof Kourou wird einige aufwecken. Nicht nur wegen des ganz sicher wieder hochkommenden Sabotageverdachts, der schon bei den vorausgegangenen fünf Ariane- Explosionen die Runde machte. Nein, die Finanzierung dieser neuen Zukunftsrakete wird noch mal auf die Tagesordnung gesetzt. Was sonst im Triumphgeschrei über die geglückte Antwort Europas auf die Billigkonkurrenz aus China und Rußland untergegangen wäre, steht jetzt hartnäckig im Pulverdampf: die simple Tatsache, daß die prestigeträchtige Titanenrakete nur durch ein gigantisches Subventionsprogramm entwickelt werden konnte. Bezahlt hat dieses sündhaft teure High- Tech-Spielzeug der Steuerzahler. Jeder einzelne der 12.000 Arbeitsplätze hat 660.000 Dollar gekostet. Ein wahrhaft kosmisches Bündnis für Arbeit.

Die gute Nachricht zum Schluß: Verletzt wurde niemand. Manfred Kriener