Aufschwung Süd Von Fritz Eckenga

Darauf mußten wir lange warten: Auf endlich einmal gute Nachrichten aus dem angeblich nur noch von wirtschaftlicher und sozialer Depression gelähmten, krisengeschüttelten Wirtschaftsstandort Deutschland.

Und – die gewaltigen Subventionen, Steuervergünstigungen und Anschubfinanzierungen zeigen endlich Wirkung – es sind die neuen Bundesländer, die für diese positiven Schlagzeilen sorgen. Genauer gesagt ist es ein neues Bundesland, das sich höchster Wertschätzung erfreut, in dem sich Lebensqualität, Wohlstand und unbescheidener Reichtum ausbreiten wie in keinem anderen:

Mallorca, 17. Staat der Bundesrepublik, klimatische und geographische Ausnahmeerscheinung des föderalen Deutschland, verzeichnete 1995 allein im Immobilienbereich einen Investitionsschub von 480 Millionen Mark. Der weitaus größte Teil dieser Summe wurde von Einheimischen, also Deutschen, ausgegeben. Darunter so prominente Investoren wie Hans Meiser, Peter Maffay, Michael Schumacher und Claudia Schiffer, die sich auch von Gründstückspreisen bis zu 6.000 Mark pro Quadratmeter nicht davon abschrecken ließen, der ganzjährig blühenden Landschaft Mallorca, von ihren Liebhabern auch zärtlich „die Klima-Zone“ genannt, ihre dauerhafte Anwesenheit hinzuzufügen.

Erfreulich außerdem, daß die Deutschen diesmal auch im internationalen Konkurrenzkampf um Marktanteile die Nase vorn haben. So wurden die Briten, die ebenfalls ein gieriges Auge auf Deutsch- Mallorca geworfen hatten, um Längen abgehängt. Häßliche Gerüchte, die Engländer verhandelten im Bonner Wirtschaftsministerium bereits über einen kompensatorischen Lastenausgleich, der die Rückgabe Helgolands an das britische Königreich beinhaltet, wurden bisher von keiner Seite dementiert.

Als großes Entwicklungshindernis für ein auch weiterhin in Frieden und Freiheit aufschwingendes Neu-Bundesland Mallorca könnten sich allerdings die eklatanten sozialen Gegensätze zwischen den wohlhabenden und den normalbetuchten Bundesbürgern erweisen. Der Grund: Die reichen Neubürger betrachten nämlich das Elendsviertel El Arenal mit seiner Trutz- und Schmutzburg Ballermann 6 als Schandfleck für Deutschland.

Es muß befürchtet werden, daß sich hier eine der schwärzesten Stunden der Deutschen Geschichte wiederholt. Seit sieben Uhr erhalten Chartermaschinen deutscher Reiseunternehmen in Palma de Mallorca keine Landeerlaubnis mehr. In den frühen Morgenstunden begannen schwerbewaffnete Truppen der Sicherungsgruppe Mallorca des Bundesgrenzschutzes damit, das Krisengebiet um Ballermann 6 weiträumig abzuriegeln und einen einhundert Meter breiten Strandstreifen rund um dieses kuturelle Zentrum der deutschen Mallorca-Pioniere zu verminen. Ferner wurden mit schwerem Gerät anrückende Baubrigaden gesichtet, die direkt hinter dem Todesstreifen eine Beton- Mauer errichteten.

Wird El Arenal zu einem zweiten Berlin? Dem leidgeprüften deutschen Volke muß ein weiterer schwerer Schicksalsschlag erspart werden. Aufschwung hin, Aufschwung her: So weit darf es nicht kommen!