Aufstand eines Dorfvereines

Der ESC Wedemark möchte unbedingt in die Deutschen Eishockey-Liga, doch diese sträubt sich gegen den ländlichen Emporkömmling  ■ Von Christian Otto

Hannover (taz) – Schade, daß Herr Uderzo nicht mehr zeichnet. Diese Geschichte ist aus dem Stoff, der die Comic-Figur Asterix und seine tapferen gallischen Freunde berühmt werden ließ. Ein kleines, niedersächsisches Dorf, 25 Kilometer vor den Toren Hannovers gelegen, läßt sich nicht unterkriegen. In Mellendorf, das hat sich im Lande herumgesprochen, wird recht ansehnliches Eishockey gespielt. Der hier ansässige ESC Wedemark ist in dieser Saison deutscher Amateurmeister geworden und hat sich damit für die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) qualifiziert. Die Wedemärker haben sich aber nicht nur qualifiziert, nein, sie wollen auch in der DEL spielen. Ein kleiner Dorfverein probt den Aufstand – und zwar mit Erfolg.

Mellendorf gegen Düsseldorf – was sich nach einem Aprilscherz anhört, ist in greifbare Nähe gerückt. Das Schiedsgericht des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) hatte bei seiner letzten Sitzung in München die Aufnahme der Niedersachsen abgelehnt, aber mit einer Kufe steht der ESC Wedemark schon in der DEL. Die Bedingung der DEL, 15 Verträge mit Profis vorzulegen, hat der Verein inzwischen erfüllt. Durch die Verpflichtung der russischen Nationalspieler Dimitri Frolow und Andrej Saposchnikow sowie der Kanadier Shawn Anderson und Mark Jooris wurde der Kader sogar schon auf 18 Profis vergrößert. Das Überangebot an Spielern nach dem Urteil im Fall Bosman macht es möglich, daß ESC-Präsident Jochen Haselbacher sich mit einem Mini-Etat von 4,235 Millionen Mark (Vorjahr 1,4) eine schlagkräftige Mannschaft zusammenkaufen kann. „Wir haben es zu 99 Prozent geschafft“, meinte Haselbacher, „wenn wir seriös geprüft werden, muß die DEL uns aufnehmen.“

Die Funktionäre des DEB und der DEL hatten sich mit Händen und Füßen gewehrt, die Kalkulationen des Jochen Haselbacher anzuerkennen. In einer reinen Profiliga nach amerikanischem Vorbild habe ein Provinzklub wie der ESC Wedemark nichts zu suchen. Auf dem Lande sieht man das etwas anders. Haselbacher hat den Funktionären mit mehreren einstweiligen Verfügungen, einer Klage vor einem ordentlichen Gericht und am Ende sogar mit einem Verfahren vor dem Bundeskartellamt gedroht. Immer wieder mußte man dem hartnäckigen ESC-Präsidenten im Streit um die DEL-Zulassung recht geben. Und kaum jemand zweifelt noch daran, daß es am 21. Juni, bei der entscheidenden Sitzung des DEB-Schiedsgerichts, anders sein wird.

Haselbacher, im richtigen Leben CDU-Landtagsabgeordneter, ist nicht nur ein cleverer Geschäftsmann, sondern auch noch eishockeyverrückt. Für fünf Millionen Mark hat er das marode Mellendorfer Eisstadion in das topmoderne „Icehouse Wedemark“ verwandelt. Mit Profis wie Joe West, Larry Mitchell und Len Soccio, die in der 1. Liga Tore am Fließband schossen, hat Haselbacher eine Euphorie entfacht, die das 6.000-Seelen-Örtchen Mellendorf seit langem in Atem hält und sogar die Rockgruppe Scorpions derart begeisterte, daß sie eine Zusammenarbeit mit dem Klub vereinbarten. „Nach so vielen zweistelligen Siegen haben wir keine Wahl. Wir müssen den Schritt in die DEL wagen, sonst wird das hier zu langweilig“, sagt der Vereinschef.

Nachdem der große Rivale EC Hannover Konkurs anmelden mußte, sollen die Eishockeyfans jetzt aufs Land gelockt werden. 1.300 kamen durchschnittlich zu den Kantersiegen in der 1. Liga. 2.800 Enthusiasten muß die Dorftruppe pro Heimspiel mobilisieren, damit das Abenteuer DEL nicht zum Fiasko wird. Wer glaubt, daß diese Rechnung zu mutig ist, hätte dabei sein sollen, als ein Autokorso Haselbacher nach seiner Rückkehr von der DEL-Schiedsgerichtsverhandlung ins heimische Stadion begleitete. Mit Sektfontänen haben sie ihren Helden begrüßt – und waren bester Stimmung in ihr jetzt noch berühmteres Eishockey-Dorf zurückgekehrt. Danach gingen sogleich 400 Bestellungen für Dauerkarten beim ESC Wedemark ein. Mellendorf gegen Düsseldorf – das will sich keiner entgehen lassen.