Das erste Heft „Meiser“

Statt Apothekenzeitschrift: Vom Herbst an gibt es Hans Meisers Talkshow auch zum Lesen. Andere RTL-Sendungen sollen an den Kiosk folgen  ■ Von Oliver Gehrs

Was passiert eigentlich bei Meiser in den Werbepausen? Und was wird aus all den Talkgästen, wenn vor einem Millionenpublikum die Untiefen ihrer Seele ausgelotet worden sind? Gehen sie mit der Redaktionscrew noch einen trinken, oder fahren sie so schnell es geht nach Hause, um nach vollbrachter Beichte ein neues Leben zu beginnen?

Nicht länger mehr sollen solche Fragen unbeantwortet bleiben. RTL gibt Entwarnung für alle, die beim Talken nicht mehr mitkommen und nach dem Abspann verstört auf dem Sofa zurückbleiben. Gemeinsam mit dem Hamburger Verlag Ehrlich & Sohn, einer hundertprozentigen Tochter von Gruner + Jahr, bastelt RTL an einer Talkshow zum Lesen: Das Hans Meiser Magazin.

„Die alte Oma mit den dicken Beinen versendet sich viel zu schnell“, befürchtet Gerhard Sondermann, der das Projekt bei G + J betreut. Und damit die Omas niemand vergißt, will er möglichst viele von ihnen noch einmal im Blatt zu Wort kommen lassen. Über genaue Genreformen hält sich der Verlag noch bedeckt: Doch von Mitschriften der Gesprächsrunden bis zu detaillierten Lebensläufen der Teilnehmer wird so manches erwogen, was der Talkshow-Fan gern noch einmal nachblättert. Ab Herbst können sich die Zuschauer im Hans Meiser Magazin schon vor der Sendung in die behandelten Themen einlesen. Etwa mit ausgewählter Literatur in puncto Organspende, Geldsorgen und Inzest.

„Wir werden ausführlich Experten zu Wort kommen lassen“, verspricht Sondermann, und wem das nachmittägliche Geplauder trotzdem noch ein Rätsel bleibt, kann die Sendung anschließend in aller Ruhe nachbereiten: Im ersten Heft Meiser finden sich alle wichtigen Eckdaten zu den Gästen nebst Familienfotos.

Zwar besteht die Print-Redaktion laut Sondermann bisher nur aus „zwei bis drei freien Mitarbeitern“, aber die werden wohl ständig im Namen der Homestory unterwegs sein.

Selbstredend auch Backstage: Mit dem Notizblock begleiten sie Talkmaster und RedakteurInnen durch die Kulisse, um den Lesern den Meiser hinter „Meiser“ näherzubringen. Offen und ehrlich sollen auch die Quoten aufbereitet werden, eventuell den Bundesliga- Tabellen im Kicker nicht unähnlich. Als absolute Spezerei für Fans plant Sondermann eine Kolumne, geschrieben von Hans Meiser himself.

Eigentlich sollte all das schon längst am Kiosk liegen, doch die Zusammenarbeit zwischen RTL und dem Hamburger Verlag gestaltete sich unerwartet schwierig. Auf Betreiben von RTL wurden 100.000 gedruckte Exemplare des Hans Meiser Magazins, das am 27. März starten sollte, wieder aus dem Handel genommen und eingestampft. Die Kioskpremiere mußte vom Frühjahr auf den Herbst verschoben werden, weil die Nullnummer den strengen Kriterien des Talkmasters nicht standhielt: „Zuwenig Leserservice“, lautete das knappe Verdikt, mit dem er Gruner + Jahr zurück zu den Hausaufgaben schickte.

„Mehr Herzblut!“ fordert RTL- Programmdirektor Marc Conrad, und bei Crea-TV, Hans Meisers Produktionsfirma, legt man vor allem Wert auf einen schonenden Umgang mit den Gästen. „Wir schaffen den Kontakt zum Heft, fragen die Menschen aber vorher, ob wir ihre Telefonnummer weitergeben dürfen“, versichert Pressesprecherin Barbara Gauer: „Als Gastgeber tragen wir eine gewisse Verantwortung, auch nach der Sendung.“

Das geballte Meiser-Heft soll mindestens 60 Seiten dick sein und monatlich für zirka 3,50 Mark am Kiosk liegen. Richtig lukrativ wird die geschriebene Talkshow aber erst durch Anzeigen, sprich Werbung für Medikamente, die bisher die kostenlosen Apothekerzeitschriften abschöpften. Denn schon jetzt ist absehbar, daß vor allem ältere Zuschauer zum Begleitheft greifen werden. „Ein schönes Umfeld für Nierentee und Blasenmittel“, wie Projektleiter Sondermann bereits frohlockt.

Und das ist nur der Anfang: Das Hans Meiser Magazin gilt bei RTL als Testballon für weitere Adaptionen: Auch „Bärbel Schäfer“ und „Notruf“ aus der holländischen Fernsehschmiede Endemol harren ihrer Weiterentwicklung zur Zeitschrift. Im Herbst soll auch das RTL-Boulevardmagazin „Explosiv“ am Kiosk liegen. Gemeinsam mit dem Hamburger Verlag News + Medien schreiben die RTL- Wühler an Explosiv – das Reportagemagazin, das wöchentlich zu einem Preis von 3,50 Mark erscheinen soll. Um all die Schicksalsschläge zu vertiefen, die im Vorabendprogramm nur angerissen werden können. Drohen da etwa tolle Vierfarbreportagen aus dem Gruselfundus von Barbara Eligmann, angereichert mit Statistiken über Flugzeugabstürze und Massenkarambolagen? Chefredakteur Martin Lüdicke bestätigt solche Befürchtungen: „20 Reporter mit einschlägiger Erfahrung aus Bild- und Express-Zeiten sind Tag und Nacht im Einsatz.“ Wenn das nicht für Qualität bürgt.